Wie ein Flügelschlag
Kopfhaut juckt
unter der Wollmütze. Ich wische mir mit dem Ärmel über die
Augen. Mit jedem Atemzug strömt eisige Luft in meine Lungen.
Noch dreizehn Runden.
Das Erste, was ich sehe, ist ein blaues Leuchten. Der Schnee
unter meinen Füßen flackert rhythmisch auf.
Blau – weiß – blau – weiß.
Ich passe mein Lauftempo dem Farbwechsel an.
Links – rechts – links – rechts.
Dann sehe ich den Krankenwagen. Er steht auf dem Schulhof
und sein Blaulicht spiegelt sich in den Fenstern. Neben dem
Krankenwagen hält ein weiteres Auto. Ich werde langsamer.
Noch zwölf Runden.
Zwei Männer steigen aus dem Auto. Erste Gesichter tauchen
hinter den Scheiben der Mensa auf. Kurz darauf verschwinden
sie wieder und die Jalousien werden zugezogen. Die Männer
laufen zum Hallenbad. Die Sanitäter holen eine Trage aus dem
Krankenwagen.
Noch elf Runden.
Drexler sprintet aus der Mensa. Ich fange an zu gehen. Bernges
erscheint jetzt auch auf dem Schulhof, will ebenfalls zum
Hallenbad. Ich bleibe stehen. Was hat er dort zu suchen?
Ich warte darauf, dass mein Atem sich beruhigt.
Immer noch elf Runden.
Im Hallenbad wird es hell. Jemand hat Licht gemacht. Die
Putzfrau. So früh am Morgen kann höchstens die Putzfrau in
der Halle sein. Vielleicht ist sie ausgerutscht. Deshalb der Krankenwagen.
So muss es sein.
Ich verlasse die Bahn und gehe langsam zum Schulhof hinüber.
Niemand sagt etwas dagegen. Keiner hält mich auf und
schickt mich zurück. Hinter den Jalousien ist es still. Eine Putzfrau
ist uninteressant.
Ich könnte jetzt auch frühstücken gehen. Drexler hat mich
längst vergessen. Ich sollte beruhigt sein, dass es nur um eine
Putzfrau geht, die zu unvorsichtig war und auf dem nassen Hallenfußboden
ausgerutscht ist. Aber was wollen Drexler und
Bernges in der Halle? Und was sind das für Männer? Der eine
könnte ein Notarzt sein? Und der andere?
Ich wiederhole mein Mantra: nur eine Putzfrau, nur eine
Putzfrau. Gleich werden die Sanitäter mit der Trage herauskommen,
die Putzfrau in den Krankenwagen schieben und ich kann
endlich frühstücken.
Mein Kopf sagt mir, ich soll jetzt rübergehen und die Reste
vom Rührei essen, solange es noch warm ist. Meine Beine bleiben
einfach stehen. Die Sanitäter kommen mit der Trage aus
dem Hallenbad, schieben sie mit kräftigen Stößen über den
Schnee. Warum atmet mein Brustkorb nicht erleichtert aus? Ich
halte die Luft an.
Die Trage ist leer. Unbenutzt. Die Männer schieben sie zurück
in den Krankenwagen.
Blau – weiß – blau – weiß – blau – weiß.
»Macht endlich das Scheißlicht aus, verdammt!«
Ein Schrei zerreißt die Stille des frühen Wintermorgens. Ich
zucke zusammen. Die Sanitäter fahren herum und starren mich
an. Erst jetzt wird mir klar, dass ich es war, die geschrien hat.
Einer der beiden geht auf mich zu und packt mich am Arm.
»Fass mich nicht an, Mann!«
»Du gehst jetzt besser ins Haus.«
»Ich hab gesagt, du sollst mich nicht anfassen!« Ich reiße
mich los.
Aus der Halle kommt eine Frau. Sie wird von einem der anderen
Männer geführt. Die Putzfrau. Also doch ein Unfall. Zum
Glück scheint ihr nicht viel passiert zu sein. Sie setzen sie in das
Auto und bringen ihr eine Decke. Wo bleiben Drexler und Bernges?
Seit wann interessiert sich Drexler für die Putzfrauen an unserer
Schule?
Der Sanitäter zuckt mit den Schultern und geht zurück zu
seinem Krankenwagen. Ich schaue hinüber zur Halle. Obwohl
sie jetzt hell erleuchtet ist, kann ich nichts erkennen. Das Blaulicht
flackert weiter in den großen Scheiben. Langsam nähere
ich mich der Längsseite. Das Glas ist beschlagen, die warme,
feuchte Schwimmbadluft bricht sich an den kalten Fensterfronten
und perlt in dünnen Rinnsalen an ihnen hinunter. Schweißtropfen
laufen mir über die Stirn und brennen in den Augen. Ich
presse erst meine Hände, dann das Gesicht gegen das Glas. Ich
versuche, das Brennen wegzublinzeln. Die Mütze auf meinem
Kopf kratzt. Warum war die Trage leer? Und was ist mit Drexler
und Bernges? Was geht da drin vor sich?
Ich öffne die Augen wieder und langsam gewöhnen sie sich
an das Licht. Irgendetwas zieht mich in das Innere der Halle.
Ich stemme mich gegen die Scheibe, will dem Sog nicht nachgeben,
aber mein Blick gleitet schon suchend über das Becken.
Auch das Wasser leuchtet im Rhythmus. Einen Moment betrachte
ich die Wasseroberfläche, dann taste ich die Konturen
des Beckens ab. Ich sehe die Startblöcke, den Beckenrand, sehe
Drexler, der auf dem Boden
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