Wie ein Flügelschlag
Tochter.«
Dann dreht sie sich um und verlässt die Halle.
Ich liege im Bett und versuche, meine Gedanken zu sortieren.
Im Arm halte ich Mikas Pullover, den er mir gegen das Frieren
geliehen hat.
Die Geräusche, die durch die angelehnte Zimmertür zu mir
dringen, sind gedämpft. Ich höre das Klappern von Schranktüren,
das Klirren von Tassen, die auf ein Tablett gestellt werden,
und kann das Gurgeln der Kaffeemaschine erkennen.
Ich höre die Stimmen, die sich leise unterhalten, um mich
nicht zu wecken, und die nicht ahnen, dass ich längst wach bin
und ihnen lausche.
Melanie war Bernges' Tochter.
Melanies Mutter war die Freundin von Bernges. Bis zu seinem
Unfall waren sie zusammen. Danach zerbrach die Beziehung,
und es war Wieland, der sich um sie bemühte. Sie müssen
ziemlich bald geheiratet haben, denn Melanies Mutter war
schwanger. Was Wieland nicht wusste oder vielleicht auch nicht
wissen wollte: Melanie war nicht von ihm.
Nach seiner Festnahme durchsuchte die Polizei Bernges'
Wohnung und fand dabei auch sein Archiv, das er im Kleiderschrank
verborgen hatte. All die Jahre hatte er Klaus Wieland
beobachtet. Er verfolgte den Mann, dem er die Schuld für seine
Behinderung gab, auf Schritt und Tritt. Dabei muss sein Plan gereift
sein, Wieland ebenso die Zukunft zu zerstören, wie dieser
es bei ihm getan hatte. Und Wielands Zukunft, das waren sein
Beruf und seine Tochter. Dass Bernges dabei auf den illegalen
Medi kamentenhandel gestoßen war, den Wieland zusammen
mit Drexler betrieb, war für ihn ein willkommenes Mittel zum
Zweck.
Melanie musste sterben. Ihr Tod sollte so aussehen, als ob sie
an den Medikamenten gestorben sei, die nur ihr Vater besorgen
konnte. Bernges hatte alles bedacht. Er hat nur einen Fehler gemacht.
Er hat Wielands Ehrgeiz unterschätzt. Obwohl der Arzt
natürlich sofort erkannte, was zum Tod seiner Tochter geführt
hatte, war seine Angst vor dem Verlust seiner Zulassung, vor
dem Ende seiner Karriere, größer als seine Betroffenheit. Deshalb
setzte er alles daran, die wahre Todesursache der Tochter,
von der er nicht wusste, dass sie nicht seine war, zu vertuschen.
Ich schließe die Augen.
Lausche wieder den Stimmen, die aus der Küche zu mir dringen.
Mika, der sich mit meiner Mutter unterhält. Er sagt etwas
und ich höre sie lachen. Da fühle ich, wie das Eis in mir schmilzt,
wie es aufbricht und etwas anderem Platz machte. Etwas, das ich
noch nicht kenne.
Es hat gerade erst angefangen.
Und ich weiß jetzt, dass es weitergehen wird. Dass ich es geschafft
habe. Ich bin über den breiten Fluss geflogen. Und ich
bin auf der anderen Seite gelandet.
DANKSAGUNG
Es war nicht immer leicht, dieses Buch zu schreiben.
Aber ich war damit niemals allein. Es gibt einige Menschen,
denen ich dafür danken möchte, dass sie mich auf meinem Weg
begleitet haben.
Ein ganz herzliches Dankeschön an:
Rainer Wekwerth, meinen Kollegen und Schreiblehrer. Er war
der Erste, der sofort an diese Geschichte geglaubt hat.
Karsten Strauß, Arzt und Suchttherapeut, dem ich Löcher zum
Thema Doping und Querschnittslähmung in den Bauch fragen
durfte.
Alice Gabathuler und Gabriele Gfrerer, die mehr sind als einfach
nur Freundinnen und die mich einige Male vor dem Erfrieren
bewahrt haben.
Andreas Steinhöfel, meinem ganz persönlichen Telefonseelsorger,
der mir immer wieder Mut gemacht hat weiterzugehen.
Jutta Knollmann, meiner wunderbaren Lektorin, die meinen
Text mit so viel Umsicht und Liebe gegengelesen hat.
Michaela Hanauer, der allerbesten Agentin von allen, die meiner
Schreibleidenschaft immer wieder auf den richtigen Weg
hilft und mir dabei den Rücken freihält.
Zum Schluss möchte ich dem Hessischen Ministerium für
Wissenschaft und Kultur danken, das die Arbeit an diesem
Roman mit einem Stipendium gefördert und unterstützt hat.
Über zwölf Jahre war Jutta Wilke selbstständige Anwältin für
Familienrecht. Nach der Geburt ihres fünften Kindes hängte
sie die Robe an den Nagel, um sich ganz ihrer Großfamilie zu
widmen. Als dann auch der jüngste Spross einen Kindergartenplatz
ergattern konnte, beschloss Jutta Wilke, noch einmal ganz
neu durchzustarten und endlich das zu machen, wovon sie ihr
Leben lang geträumt hatte: Kinderbuchautorin zu werden. Für
»Wie ein Flügelschlag« erhielt sie ein Stipendium des Hessischen
Ministeriums für Wissenschaft und Kultur.
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Kapitel 1
»Er soll uns bleiben, was er uns ist und immer war«, schnarrte die Stimme aus dem
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