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Wie ein Flügelschlag

Wie ein Flügelschlag

Titel: Wie ein Flügelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Wilke
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zwischen den Flugzeugen auf, aber getroffen wurde keins von ihnen. Hinter dem ersten Bomberschwarm tauchte ein zweiter auf.
    Leo starrte gebannt auf die Flugzeuge. Er kannte solche Angriffe
nur aus dem Keller als eine Abfolge von Jaulen, Dröhnen,
Hämmern, Rauschen und Beben. Dort unten schien dieses Inferno aus der Erde selbst zu kommen, als Geräuschkulisse
zum Aufflackern bleicher Gesichter und ineinandergekrallter
Hände. Und während ihn und alle anderen in den Katakomben immer das Gefühl des völligen Ausgeliefertseins beherrscht hatte, stellte er nun verwundert fest, dass er Auge in Auge mit dem Hornissenschwarm der Bomber viel ruhiger
war als jemals zuvor. Das Verstecken hatte ein Ende. Fast kam es ihm vor, als flöge er auf die Maschinen zu und nicht umgekehrt, als könnte er zum ersten Mal seit Jahren selbst bestimmen, wem er gegenübertreten durfte. Kein Wegducken mehr. Kein Misstrauen, das nach Papieren verlangte.
    Als die Flak vom Zoobunker aus zu wummern anfing, begann
Leo zu schreien. Das Dröhnen war noch lauter geworden,
alles bebte. Der zweite Schwarm schwenkte jetzt ab. Eine Maschine nach der anderen kippte aus dem Zug, sackte nach rechts weg und ging nach wenigen Augenblicken wieder auf Kurs. Sofort fand die Formation wieder zusammen. Erneut blitzten Sonnenreflexe auf.
    »Die ziehen an uns vorbei«, rief Wilhelm ihm ins Ohr und schüttelte Leos Schultern. »Die wollen zum Regierungsviertel!
«
    »Geburtstagsfeuerwerk für den Führer!«, schrie Leo zurück und lachte wie irre.
    Wie auf ein Zeichen klinkten die Bomber der ersten Welle vor ihnen die Ladung aus. Schwarze Punkte erschienen
wie Kaulquappenschwärme hinter den Flugzeugen vor dem Abendhimmel, dann schwebten die Maschinen über sie hinweg und verschwanden aus dem Blickfeld. Das Dröhnen der Motoren war jetzt überall. Die Bomben fielen und fielen, lösten sich aus Knäueln, bildeten lose Ketten, Zugvögel im Landeanflug.
    Leo krallte sich an dem Balken fest, auf dem er saß. Ein Splitter bohrte sich unter einen Fingernagel, er spürte es wie durch eine dicke Watteschicht. Etwas zischte mehrstimmig durch die Luft. Um sie herum begann es, ohrenbetäubend und scharf zu krachen. Plötzlich häckselte sich eine Kette von aufeinanderfolgenden Detonationen durch die ausgebrannten Nachbarhäuser, Schuttfontänen wurden in die Höhe gerissen und große und kleine Bruchstücke von Mauern spritzten in alle Richtungen. Die Explosionen fraßen sich unaufhaltsam auf sie zu, und dann schien die Zeit sich zu verlangsamen, ohne dass Leo mit seinen Gedanken folgen konnte. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sägte eine zweite Bombenkette
durch die Häuserzeile, weiter hinten sackte eine Fassade weg, fast zögerlich ging sie in die Knie. Dann rauschte es direkt
vor ihnen, als würde eine Ladung Kies auf sie hinuntergekippt.
Die folgende Detonation war so laut, dass Leo meinte, der Sprengsatz sei mitten in seinem Kopf gezündet worden. Der Rest lief ab wie ein Stummfilm, nur viel langsamer.
    Von einem Augenblick auf den anderen war es totenstill, obwohl links und rechts immer noch die tannenzapfenartigen Schatten vor dem flimmernden Himmel ohne Eile zur Erde trudelten. Wieder rauschte etwas heran. Wilhelm zog von hinten seinen Kopf nach unten, und das Letzte, was Leo sah, war ein Balken aus dem zerstörten Dach des Nachbarhauses, der vor seiner Nase hochgewirbelt wurde und eine Drehung in der Luft vollführte, viel zu elegant für die brutale Kraft, die ihn herumschleuderte, wie die Fackel eines Jongleurs, den Leo irgendwann im Tiergarten gesehen hatte.
    Der Balken sauste auf ihn zu, übermütig und kapriziös, eine Aufforderung, ihn zu fangen, eine Einladung zu einem Spiel, das man mit Jungen wie Leo eigentlich nicht spielte. Ein winziger Augenblick, in dem alle Demütigungen vergessen
waren. Der Jongleur lächelte. Fang oder lass es. Der Stern auf deiner Jacke interessiert mich nicht.
    Holz splitterte, Dachziegel flogen. Wilhelms Hände rissen Leo zu Boden. Und als die Fackel des Jongleurs ihn mitten im Gesicht traf, wusste Leo, dass er nicht gemeint war.

Kapitel 3

    Einer der vier Soldaten, die das kleine Gehöft gesichert hatten,
erschien in der Tür des Bauernhauses. »Keiner da!«, rief er. Dann ließ er sich auf eine Bank vor dem Haus fallen, legte seine Maschinenpistole quer über seine Knie, fummelte eine schlampig gedrehte Zigarette aus der Brusttasche und steckte sie an.
    »Sah auch nicht danach aus«, brummte Oberst Igor Sirinow und

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