Wie ein Prinz aus dem Maerchen
Außergewöhnliches. Ihr Gespür für alte wie auch die neuesten Motoren hatte sich herumgesprochen und brachte der Werkstatt täglich neue Kundschaft ein. Obendrein war sie bekannt für ihr profundes Verständnis für die elektronischen Aspekte beim Autobau und ihren diagnostischen Instinkt. Aus diesen Gründen hatte ihr Rowdy, der Inhaber der Werkstatt, erst vor Kurzem eine Gehaltserhöhung gewährt. Wenn es so weitergeht, werde ich mich schon in wenigen Monaten in der Schule anmelden können, dachte sie zufrieden. Sie legte Schraubenschlüssel und Bolzen auf ihrer Werkzeugkiste ab und trat aus der Werkstatt hinaus ins Freie.
Dort empfing sie strahlender Sonnenschein, und sie sog gierig die frische, klare Luft ein. Der Frühling war ihre liebste Jahreszeit, im Sommer herrschte meist drückend schwüle Hitze.
Vor dem Gebäude parkte eine große schwarze Limousine. Durch die dunkel getönten Fensterscheiben konnte sie die Insassen nicht erkennen, doch uniformierte Polizisten neben dem Fahrzeug legten den Schluss nahe, dass es sich um wichtige Persönlichkeiten handeln musste.
Nervös wischte sie die Hände an ihrem Overall ab. Einer der Polizisten musterte sie kritisch, als wollte er abschätzen, wie gefährlich sie war. Ein Glück, dass sie den schweren Schraubenschlüssel in der Werkstatt gelassen hatte!
In diesem Moment ging die Fahrertür auf, der Chauffeur entstieg dem Auto, ging darum herum und öffnete den hinteren Wagenschlag. Ein gut aussehender, seriös wirkender Mann in Designeranzug und mit auf Hochglanz polierten schwarzen Schuhen stieg aus und fragte: „Sind Sie Isabel Poussard?
Wieso kennt er meinen Namen? fragte sie sich argwöhnisch. Onkel Frank hatte ihr beigebracht, Vorsicht im Umgang mit Fremden walten zu lassen. Sie richtete sich zu ihrer vollen Höhe auf, hob das Kinn angriffslustig und bedachte den Fremden mit einem hochmütigen Blick, mit dem sie schon aufdringliche Verehrer in die Flucht geschlagen hatte. „Wer will das wissen?“
Mehr amüsiert über ihr Auftreten als davon beeindruckt, stellte der Mann sich ihr vor: „Mein Name ist Jovan Novak. Ich bin persönlicher Assistent seiner Königlichen Hoheit Kronprinz Nikolas von Veronia.“ Er sprach mit leichtem Akzent.
„Von dem Prinzen habe ich noch nie gehört.“ Doch der Name des Landes erschien ihr seltsam vertraut. Sie dachte kurz nach, dann fiel es ihr ein: „Veronia wird gelegentlich in den Nachrichten erwähnt.“
In diesem Moment fragte Boyd von der Werkstatt her: „Izzy, brauchst du Hilfe?“
Sie wandte sich zu ihm um. Er stand an der Tür, ein Bär von einem Mann, einen Hammer in der Hand, und starrte neugierig zu ihr herüber. Sein Anblick ließ sie schmunzeln. Seit jeher behandelte er sie wie eine kleine Schwester, was ihr gut gefiel, da sie keine Familie besaß. Gelegentlich hatte er jedoch auch schon den einen oder anderen ihrer Bewunderer abgeschreckt, wenn sie sich direkt von der Arbeit zu einer Verabredung abholen ließ – was aus diesem Grund kaum noch vorkam.
„Nein, danke. Ich gebe dir Bescheid, falls es so weit kommt.“
Damit wandte sie sich wieder ihrem Gesprächspartner zu. Der Mann wirkte sportlich, dennoch glaubte sie, auch ohne Hilfe mit ihm fertig zu werden. Nicht umsonst hatte Onkel Frank sie als Kind zum Selbstverteidigungsunterricht geschickt, immer noch trainierte sie regelmäßig im Fitnessstudio Kraft und Ausdauer, was für ihren Beruf unerlässlich war.
„Ich freue mich, Sie kennenzulernen.“ Jovan lächelte freundlich und reichte ihr die Hand, die sie unwillkürlich ergriff und kurz schüttelte, ehe sie sie wieder losließ.
Meistens beschränkten sich ihre Kunden auf ein kurzes Gespräch über ihr Auto. Ließ sich gelegentlich ein Mann auf eine persönliche Unterhaltung ein, folgte fast immer eine private Einladung.
„Benötigt Ihr Wagen eine Reparatur, oder haben Sie andere Wünsche? Ich stecke gerade mitten in der Arbeit“, fragte sie wenig kundenfreundlich, da ihr etwas aufgefallen war, das ihr Unbehagen bereitete: Er kannte nicht nur ihren vollständigen Namen, sondern war obendrein viel zu gut gelaunt für jemand, der Ärger mit seinem Auto hatte.
„Einen Moment bitte“, antwortete er gelassen, kehrte ihr den Rücken zu und beugte sich in den Wagen.
Langsam wurde Isabel ungeduldig. Die Zeit drängte. Sobald der Chevrolet repariert war, musste sie sich um einen Dodge Minivan kümmern, auf den eine erschöpfte Mutter von vier Kindern bereits sehnsüchtig
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