Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
letzten Mal, als er hier gewesen war – am Abend vor Banners Hochzeit. Ihr Gesicht war aufgedunsen. Die ungeschickt aufgetragene Schminke trug wenig dazu bei, die Falten, die ihr ausschweifendes und unglückliches Leben um ihren Mund gegraben hatten, zu vertuschen.
Aber ihre Augen waren auf ihre verlorene Art so freundlich wie immer. Man sagte, sie behandle ihre Kunden mit mütterlicher, liebevoller Fürsorge. Einige Männer brauchten das, besonders jüngere, die zum ersten Mal auf eigenen Füßen standen. Jake glaubte, dass Priscilla Sugar deshalb als Angestellte behielt.
»Ein Drink, Jake?«
Er hatte gerade einen getrunken, den der Barmann ihm kurz zuvor eingeschenkt hatte, aber er nahm ihr Angebot an, da er wusste, dass die Mädchen an jedem Drink beteiligt wurden, zu dem sie einen Kunden verlockten. Unter all der jüngeren, hübscheren Konkurrenz musste Sugar es schwer haben. »Möchtest du nicht einen mit mir zusammen trinken?«, lud er sie ein.
Sie wusste, dass er sie gönnerhaft behandelte, aber sie brauchte zu dringend einen Drink, um Jakes Großzügigkeit ausschlagen zu können. Sie beugte sich über den Tresen und flüsterte dem Barmann zu: »Gieß mir meinen aus derselben Flasche ein wie seinen, nicht aus der, die Madame Pris für uns vorgesehen hat.« Sie schaute Jake mit seelenvollem Augenaufschlag an. »Wie geht es dir?«
»Ich kann nicht klagen.«
»Was machst du in der Stadt? Warst du nicht nach Osttexas abgereist?« Sie nahm einen Schluck Whisky und behielt ihn lange Zeit im Mund, um ihn zu genießen, bevor sie ihn hinunterschluckte.
»Ich bin hier, um Vieh zu kaufen. Der Beginn einer Herde.«
Ihr Lächeln war aufrichtig. »Das ist gut, Jake, wirklich gut. Ich freue mich für dich.«
»Danke. Es ist nicht mein eigenes Vieh. Ich bin nur der Vormann.«
»Aber das ist doch prima! Ich freue mich, dass du einen so guten Job hast. Wann bist du angekommen?«
»Heute Nachmittag.«
Sie hatten sich im Ellis Hotel angemeldet. Wenn er mit den beiden jungen Männern allein gewesen wäre, hätte er sich mit einer bescheideneren Unterkunft begnügt. Aber Jake strapazierte ihre Finanzen und meldete sich sowohl zu Banners Schutz als auch zu ihrer Bequemlichkeit im Ellis Hotel an. Lee, Micah und er teilten sich ein Zimmer, das an Banners grenzte. Die Zimmer befanden sich im dritten Stock.
»Schau mal, Banner, hier gibt es einen Balkon«, hatte Jake gesagt, als er die Vorhänge aufzog. Das Fenster gewährte einen Blick auf die Throckmorton Street, eine der geschäftigsten Straßen der Stadt. Er hatte gehofft, dass die Fußgänger und die ständig vorüberparadierenden Einspänner und Pferdebahnen sie begeistern würden.
Sie hatte bloß genickt. Ihr schwaches Lächeln konnte man kaum als solches bezeichnen. »Ja, das ist schön, Jake. Danke.«
Seit sie früh am Morgen das Lager abgebrochen hatten, waren nur wenige Worte zwischen ihnen gefallen. Da Lee und Micah immer noch abzuschätzen versuchten, ob Jake noch wegen der Eskapade in der vergangenen Nacht böse war, und sich fragten, welche Auswirkung das auf ihre Freiheit in Fort Worth haben würde, hatte eine sehr niedergeschlagene Gruppe am späten Nachmittag die Hotelhalle betreten.
Vom langen Ritt waren sie staubig und wirkten auf den Portier hinter dem Anmeldungsschalter nicht sehr respektabel. Seine Manieren verbesserten sich jedoch beträchtlich, als Jake Mr Culpepper, den Viehhändler, erwähnte und für zwei Nächte im Voraus bar bezahlte – von dem Geld, das Ross ihm aus seinem Safe gegeben hatte, um damit die Auslagen der Reise zu bestreiten.
Den Kopf voller Rauch und Lärm des Garten Eden, wurde Jake plötzlich klar, dass er gar nicht hier sein wollte. Obwohl er es geglaubt hatte. Er hatte geglaubt, er könnte es nicht abwarten, aus den eleganten Hotelzimmern herauszukommen und sich in die Gesellschaft zu begeben, die er am besten kannte.
»Du hältst beide Türen die ganze Zeit verschlossen. Öffne sie niemandem außer den Jungens und mir«, hatte er Banner angewiesen, bevor er sie verließ. Lee und Micah hatten gesagt, sie würden draußen zu Abend essen und waren bereits gegangen. Jake hatte dafür gesorgt, dass Banner ein Tablett mit Abendessen auf das Zimmer gebracht wurde. Er wollte nicht einmal, dass sie alleine unten im Speisesaal aß.
»Du hast es mir jetzt hundertmal gesagt, Jake. Ich habe es verstanden.« Sie hatte am Fenster gestanden und hinausgeschaut, als sei sie eine Gefangene in einer Zelle. Auf gewisse Weise war sie das
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