Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
am Leben.«
Er setzte sich auf und schlang die Arme um seine hochstehenden Knie. »Ich weiß, dass du und alle anderen denken, ich sei einer von Priscillas Beschälern. Tatsache ist, dass ich sie später nicht mehr angerührt habe. Nach jenem Tag habe ich noch ein paarmal mit ihr geschlafen, aber jedes Mal habe ich mich mehr gehasst.
Als der Treck sich auflöste, trennten wir uns, und ich habe sie jahrelang nicht mehr gesehen. Ich traf sie in Fort Worth wieder, als ich auf einem langen Viehtrieb dort war. Es wunderte mich nicht, dass sie in einem Bordell arbeitete. Sie wollte dort anknüpfen, wo wir aufgehört hatten. Aber jedes Mal, wenn ich sie anschaue, sehe ich Lukes Gesicht vor mir, tot und bleich, sein Hemd befleckt vom Blut.«
Er stand aus dem Bett auf und ging zur Frisierkommode, wo er sich aus dem Krug ein Glas Wasser einschenkte. Er wünschte, es wäre Whisky. »Das ist noch nicht alles. Du kannst jetzt auch noch den Rest hören. Ich fand heraus, wer Luke ermordet hat.«
Er hielt in seiner Geschichte inne. Zu dieser Zeit hatten er und Lydia ein unzertrennliches Band geknüpft. Der Mörder seines Bruders war ihr Stiefbruder gewesen, der sie vergewaltigt und gequält hatte. Beide Rechnungen hatte Jake beglichen. »Ich tötete ihn, erstach ihn in einer Allee und fand auch noch Vergnügen daran. Ich war sechzehn Jahre alt. Sechzehn«, stieß er durch seine zusammengebissenen Zähne hervor.
Er ließ den Kopf hängen. Banner sprang ungeachtet ihrer kürzlichen Operation aus dem Bett und stellte sich hinter ihn. Als er sie hörte, fuhr er herum. »Das ist der Mann, den du gerade mit in dein Bett genommen hast«, sagte er und deutete darauf.
»Und es tut mir nicht leid. Der Mann, den du getötet hast, verdiente es zu sterben.«
»Luke auch?«
»Das war doch nicht deine Schuld. Du warst nicht verantwortlich dafür. Eine unglückliche Konstellation von Umständen, ein Zufall. Diese Schuld kannst du nicht für den Rest deines Lebens mit dir herumschleppen.«
Konnte er das nicht? Hatte er das nicht beinahe zwanzig Jahre lang getan? Und jeden Tag dieser Zeit hatte er die Frauen verachtet. Jede einzelne, die er je traf, hatte er für Priscillas Rolle bei Lukes Ermordung bestraft.
Bis heute.
Banner zuckte nicht voller Abscheu vor ihm zurück, sondern schaute voller Verständnis und Liebe zu ihm auf. Ihr Körper hatte ihn gereinigt, wo er sich seit jenem verhängnisvollen ersten Nachmittag mit Priscilla Watkins nicht mehr rein fühlte.
»Es gab noch andere, Banner. Zwei. Männer mit Namen und Gesichtern, ich habe sie getötet.«
»Erzähl mir von ihnen.«
»Einer von ihnen tötete einen Freund von mir, einen Jungen, der noch feucht hinter den Ohren war, auf seinem ersten Viehtrieb. Ich hatte ihn unter meine Fittiche genommen. Er erinnerte mich an Luke. Dieser andere Bursche tyrannisierte ihn. Er schlug den Jungen zu Brei, weil er gestolpert war und Kaffee auf seinen Schlafsack verschüttet hatte. Der Junge musste innere Blutungen erlitten haben. Später in jener Nacht starb er. Ich kämpfte mit seinem Mörder – ein Kampf, der Stunden zu dauern schien. Schließlich … brach ich ihm das Genick.«
Banner legte eine Hand auf seine Brust. »Und der andere?«
»Der andere war ein Spieler in Kansas City, der mich und fast jeden anderen Cowboy um seinen Lohn betrogen hatte. Er ließ uns gutgläubige Trottel ein paar Blätter beim Pokerspiel gewinnen, dann betrog er uns und ließ uns weißbluten. Ich forderte ihn zu einem Kampf heraus. Er zog. Ich war schneller.«
Er starrte auf die Frau, die bei ihm stand, hinab. Ein bitteres Lächeln verzog einen seiner Mundwinkel. »Da hast du es. Das schmutzige, traurige Leben des Jake Langston.«
Unerschrocken schlang sie die Arme um ihn und legte ihre Wange an seine Brust. »Diese Männer haben anderen Menschen wehgetan, Jake. Du bist kein Killer.«
Er nahm ihre Arme und stieß sie von sich. »Aber begreifst du denn nicht? Ich könnte es wieder tun, wenn es mir notwendig erschiene.«
»Das würde ich von dir erwarten. Von meinem Vater würde ich es auch erwarten. Ich weiß nicht, ob er jemals jemanden getötet hat, aber ich weiß, er würde es tun, wenn er es für gerechtfertigt hielte.«
»Ist es denn jemals gerechtfertigt?«
»Ja«, sagte Banner mit sanftem Nachdruck. »Ja, Jake, ich glaube, manchmal ist es das.«
Da umarmte er sie und begrub sein Gesicht in ihren Haaren. »Ich weiß nicht, ob wir recht haben oder nicht, aber ich danke dir, Banner, dass du das
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