Wie ein Ruf in der Stille: Roman (German Edition)
Stimme bebte vor unterdrücktem Zorn. »Da Sie das Thema aber einmal aufgebracht und meine Motive irrtümlich falsch interpretiert haben, möchte ich Folgendes richtigstellen. Wir sind hier nicht beim Film und ich habe keinesfalls die Absicht, eine ›Affäre‹ mit Ihnen einzugehen. Einmal abgesehen von der Tatsache, dass ich damit die für meinen Job nötige
Objektivität einbüßen würde, sind Sie für mich ein gnadenloser Exzentriker. Ich war mit einem Künstler verheiratet – einem Musiker –, und er nahm sich, genau wie Sie, viel zu wichtig und erwartete das auch von allen anderen. Sie dürfen versichert sein, Mr. Rivington, dass sich unsere Beziehung auf rein geschäftlicher Ebene bewegen wird. Danke für das Abendessen.«
Schwupps war sie in ihrem Apartment und schloss energisch die Tür hinter sich. Sie lehnte sich schwer atmend dagegen, bemüht, die glutheißen Tränen zurückzublinzeln, die ihr blöderweise in die Augen schossen.
Sie vernahm seine Schritte, die sich in Richtung Aufzug entfernten, das Klingeln, als die Türen aufsurrten und wieder zuschwangen.
»Idiot!«, brüllte sie und stampfte mit dem Fuß auf wie ein trotziges Kind. Dann knallte sie die Handtasche auf den nächstbesten Stuhl und riss sich die Jacke herunter.
»Dieser elende Schuft …«
Lauri hätte nicht zu sagen gewusst, auf wen sie wütender war – auf sich oder auf Drake? Sie marschierte geradewegs in ihr Schlafzimmer, und nachdem sie Licht angemacht hatte, warf sie sich auf das Bett und löste die Riemchen ihrer Sandalen.
Lauri, du kapierst es wohl nie, was? Du bist eine unverbesserliche Masochistin, stimmt’s?
Während sie sich auszog, kritisierte sie sich aufs Schärfste, dass sie Drakes Kuss nachgegeben hatte. Dieser Typ war demnächst ihr Brötchengeber. Sie trug die Verantwortung für seine Tochter, und eine emotionale Bindung würde ihren Blick für das Wesentliche trüben. Eine Liebesbeziehung mit
Jennifers Vater wäre eindeutig Gift für die weitere Entwicklung des Kindes. Immerhin hätte sie als Privatlehrerin der Kleinen schon reichlich genug zu tun. Da auch noch auf Sex mit dem Vater zu spekulieren, grenzte schlicht an Wahnsinn.
Letztlich ärgerte Lauri sich weniger über den Kuss als über ihre Empfindungen dabei. Nicht einmal am Beginn ihrer tiefen Verliebtheit mit Paul hatte sie sich so sinnlich berauscht gefühlt wie bei Drake.
Sie hatte sich fallen lassen, und dann hatte dieser Typ sich ihr brutal entzogen. Und zu allem Überfluss auch noch den Nerv besessen, ihr brühwarm unterzujubeln, sie hätte das Ganze provoziert!
Künstler waren doch alle gleich! Sie befriedigten ihre unstillbare Lust, und wenn ihr angekratztes Ego wieder im Lot war, trampelten sie auf den Seelen ihrer Wohltäter herum.
Lauri steuerte ins Bad, begann, ihr Gesicht zu cremen, und dachte dabei wieder an ihre Ehe mit Paul Jackson. Sie hatten sich in New York auf einer Party kennen gelernt. Kurz zuvor war sie dorthin umgezogen, weil sie am Norwood-Institut für Hörgeschädigte einen Job gefunden hatte.
Sie war allein und vermisste ihre Familie, die im fernen Nebraska lebte. Als einer der jüngeren Lehrer sie beiläufig gefragt hatte, ob sie mit zu der Party kommen wolle, hatte sie mehr oder weniger aus Einsamkeit zugestimmt.
Die Gäste waren bunt gemischt, Singles und Paare – die meisten Angestellte –, aber auch ein paar Tänzer, Musiker und Schriftsteller. Paul Jackson spielte Klavier, und eine langbeinige Blondine sang dazu mit einer Stimme, die ziemlich bescheiden war.
Ihm gefiel die rothaarige junge Frau, die am Ende des riesigen Flügels stand und sichtlich interessiert der Musik lauschte. Zwischendurch, in seiner Pause, stellte er sich vor, und sie plauderten angeregt. Lauri lobte seine Darbietung über den grünen Klee, vor allem, nachdem er ihr dargelegt hatte, dass es Eigenkompositionen waren.
Erst Monate später kam Lauri auf die glorreiche Idee, ihre Beziehung zu analysieren. Sie realisierte, dass sie bei ihrer ersten Begegnung nicht über ihre Arbeit oder ihre Träume oder Pläne gesprochen hatten. Sie hatten ausschließlich über Paul geredet und seine Ambitionen, im Musikbusiness groß herauszukommen. Gleich bei diesem ersten Kennenlernen hätte es bei ihr klingeln müssen, was für ein himmelschreiender Egoist und Karrierist er war.
Er war attraktiv auf eine lässig-intellektuelle Art. Seine braunen Haare waren immer zu lang, schneiden ließ er sie jedoch erst, wenn Lauri ihn sanft darauf hinwies.
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