Wie ein Ruf in der Stille: Roman (German Edition)
eine Hand auf die Lippen, betastete ihren Mund, gleichsam prickelnd von seinem süßen Überfall. Ihre Finger glitten zu ihrer Ohrmuschel, die er mit seinem Schnurrbart zärtlich gestreift hatte.
Sie rollte sich auf den Bauch, stöhnte in ihr Kissen. Ihr Körper sehnte sich nach seinen Berührungen, seinen Liebkosungen. Aber das hätte sie sich nie eingestanden. Genauso wenig wie die erschreckende Tatsache, dass sie sich ungemein zu Drake Rivington hingezogen fühlte.
4
J ennifer, Jennifer.«
Spontan drehte das kleine Mädchen den Kopf in die Richtung, aus der sie den verzerrten Klang vernahm, den sie als ihren Namen identifizierte. Die Hörhilfe war unter ihren blondschimmernden wippenden Löckchen verborgen.
»Nimm deine Serviette«, sagte Lauri und übersetzte den Satz gleichzeitig in die Gebärdensprache. Sie lächelte. »Schmeckt es dir?« Erfreut stellte sie fest, dass Jennifer ein Ja andeutete und auszusprechen versuchte.
Sie saßen in einer Cafeteria auf dem Flughafen LaGuardia und warteten auf den Aufruf ihres Fluges nach Albuquerque. Jennifer rückte einer Riesenportion bunter Eiskugeln zu Leibe, unterdes beobachteten Drake und Lauri sie heimlich.
»Sie hat sich in diesen zwei Wochen ungeheuer gemacht. Es ist unglaublich, Lauri.«
Lauris Herz hüpfte vor Freude über Drakes Lob, gleichwohl ließ sie es sich nicht anmerken. »Ja, das hat sie«, antwortete sie mit gespielter Lockerheit. In Kürze ging ihr Flug. Dann würden sie sich erst einmal nicht mehr begegnen, auch nicht auf der sachlich-unpersönlichen Ebene, auf die sie bei allen weiteren Verabredungen äußersten Wert gelegt hatte.
Sie bemühte sich, das Gespräch bis zu ihrem Abflug in Gang zu halten, sich unbehaglich anzuschweigen hätte sie
nämlich noch schlimmer gefunden. »Und nicht vergessen, erwarten Sie nicht zu viel«, riet sie ihm.
»Keine Sorge, das tu ich schon nicht«, versprach er feierlich.
»O doch«, sagte Lauri lachend. Worauf er mit einem breiten Grinsen reagierte.
Die letzten beiden Wochen waren wie im Flug vergangen. Drake hatte alles optimal organisiert. Er hatte ihr Apartment gekündigt, sämtliche Reisevorbereitungen getroffen und Lauri darüber auf dem Laufenden gehalten, was sie in New Mexico erwartete.
Sie hatte ihre und Jennifers Wintersachen zusammengepackt und schon vorausgeschickt. Blieb ihnen nur noch die Sommergarderobe, die sie auf den letzten Drücker in Koffer stopfte. Ihre paar Haushaltsgeräte und Möbel hatte sie an Freunde verschenkt oder verkauft. Von Drake wusste sie, dass das Haus in New Mexico komplett ausgestattet war. Ihre persönlichen Dinge wurden in Umzugskisten verstaut und mit ihrem Gepäck am Flughafen verladen.
Dr. Norwood hatte Lauris Ausscheiden bedauert, nachdem sie viele Jahre an der Schule tätig gewesen war. Andererseits war ihr bewusst, dass Lauri sich hervorragend als Privatlehrerin für die kleine Jennifer eignen würde, die dringend eine enge Bezugsperson brauchte. Sie wünschte Lauri viel Glück und Gottes Segen.
Lauri hatte ihre sämtlichen Treffen und Telefonate mit Drake bewusst geschäftsmäßig gehalten. Die Themen drehten sich ausschließlich um Jennifer oder die Reisevorbereitungen und ihren Aufenthalt in Whispers.
Bei ihrer ersten Zusammenkunft nach dem Abend, an
dem er sie geküsst hatte, fasste er ihre Hände und sagte leise: »Lauri, was neulich abends betrifft …«
»Sie schulden mir keine Erklärung, Drake.« Sie zog ihre Hände weg. »Bedauerlich, aber nicht zu ändern, dass wir uns von einem Moment starker Emotionalität haben mitreißen lassen. Bitte, lassen Sie uns nicht wieder davon anfangen.«
Sein Blick wurde hart, die Linien um seinen Mund gruben sich tiefer ein, er sagte jedoch nichts. Von da an war er ebenso kurz angebunden und sachlich wie sie. Als sie einmal nachmittags eine belebte Avenue in Manhattan überquerten, hatte er ihren Ellbogen gefasst, aber gleich wieder losgelassen, sobald sie die andere Straßenseite erreichten. Seitdem hatte er sie nicht mehr berührt.
Wann immer sie sich sahen, hatte Lauri Herzflattern und musste einen wilden Impuls unterdrücken, ihn stürmisch zu umarmen. Folglich hielt sie es für das Beste, endlich den nötigen räumlichen Abstand von ihm zu gewinnen. Ganz bestimmt war sie ein Opfer seines Charmes und seines blendenden Aussehens geworden, wie ungezählte andere Frauen auch. Aber darüber würde sie genauso hinwegkommen wie über die glühenden Schwärmereien in ihrer Highschoolzeit.
»Möchten Sie noch
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