Wie ein stummer Schrei
hätte er aufgestöhnt. Diese Frage genügte, um zu wissen, dass er gleich kehrtmachen durfte. Das kam davon, dass er auf den Anruf überhaupt erst reagiert hatte.
“Fast zu Hause, Sir. Was gibt es?”
“Probleme. Auf Olivia Sealy wurde geschossen, sie ist von der Fahrbahn abgekommen und wird im Moment ins Dallas Memorial gebracht. Fahren Sie sofort hin. Rodriguez und Sheets kümmern sich zwar um den Fall, aber Sie kennen die Familie gut. Wenn Sie irgendetwas herausfinden, lassen Sie es Rodriguez wissen.”
“Geschossen? Habe ich das richtig verstanden?”
“Ja, geschossen. Eine Bestätigung liegt mir noch nicht vor, aber es heißt, sie weise neben ihren anderen Verletzungen auch eine Schusswunde auf.”
“Andere Verletzungen?”
“Ja, Trey, und …”
Entsetzt hielt er am Straßenrand an. Der Lieutenant redete zwar immer noch, doch seine Worte ergaben für Trey keinen Sinn mehr. Er konnte nur an Livvies ausgelassenes Lachen denken, als sie ihm am Mittag die heiße Soße von ihrem gemeinsamen Banana Split stibitzt hatte. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er wieder Luft holen konnte, dann fragte er hastig: “Wie schwer ist sie verletzt? Ist der Schütze gefasst? Wurde Marcus Sealy informiert?”
“Ich habe noch keine präzisen Angaben zu ihren Verletzungen. Der Schütze konnte bislang nicht gefasst werden. Und Mr. Sealy wurde in Kenntnis gesetzt. Fahren Sie ins Krankenhaus und versuchen Sie, so viel wie möglich herauszufinden. Ich habe so ein Gefühl, dass es mit dem toten Mädchen in diesem Koffer zu tun hat, auch wenn ich mir nicht erklären kann, welchen Zusammenhang es da geben sollte.”
“Bin schon unterwegs”, sagte Trey und steckte sein Mobiltelefon ein. Er schaltete das rote Signallicht ein, wendete und fuhr in Richtung Krankenhaus.
Olivia roch und schmeckte Blut. Es musste ihr eigenes Blut sein, obwohl sie nicht wusste, wie das möglich sein konnte. Angst und Schmerz stürmten auf sie ein, als sie sich aufsetzen wollte, dann aber merkte, dass sie sich gar nicht bewegen konnte.
“Olivia? Olivia? Wissen Sie, wo Sie sind?” fragte jemand und strich über ihre Stirn.
Nein,
dachte sie und glaubte, sie hätte es auch laut ausgesprochen, bis sie hörte, dass die Stimme weiter auf sie einredete.
“Sie sind im Krankenhaus. Sie hatten auf dem Freeway einen Unfall, erinnern Sie sich?”
Eine Waffe … blauer Van … Schreie … jemand schreit … oh Gott, das bin ja ich.
“Hilfe”, flüsterte sie.
“Wir helfen Ihnen ja, aber Sie müssen liegen bleiben.”
“Grampy … er muss es wissen …”
“Ihre Familie wurde informiert. Bewegen Sie sich bitte nicht.”
Sie nahm ihre Umwelt mit einem Mal wie in einer Art Dämmerlicht wahr, sie fühlte den Schmerz und hörte Stimmen, doch alles war weit entfernt, so als würde sie neben ihrem Körper stehen.
“Doktor! Ihr Blutdruck sinkt!”
“Die Kugel hat eine Arterie getroffen!”
“Blutgruppe bestimmen …”
“Blutverlust …”
“Sie ist stabilisiert …”
“In den OP mit ihr …”
Auf einmal wurde sie bewegt. Sie erkannte es daran, dass die Deckenleuchten vor ihren Augen vorbeihuschten.
Dann hörte sie eine Stimme, eine tiefe Stimme, die angsterfüllt nach ihr rief. Eine Hand berührte ihre Wange, hastige Schritte neben dem Krankenbett, um mit ihr auf einer Höhe zu bleiben, während sie in den Operationssaal gefahren wurde.
Es war Trey!
Seine Gegenwart wahrzunehmen kam ihr wie ein Trost vor, der ihr zugleich Schmerzen bereitete. Er war zu ihr gekommen, als sie ihn am dringendsten brauchte, doch sie war sich nicht sicher, ob er verstehen würde, was sie wollte. Während sie gegen die Dunkelheit ankämpfte, die sie erneut zu umschließen drohte, hörte sie seine flehenden Worte.
“Livvie … Livvie … ich bin’s, Trey. Halte durch, Baby. Tu’s für mich!”
Trey … ich bin hier. Muss dir etwas sagen. Über den Van. Oh Gott, die Waffe … er hatte eine Waffe …
“Geschossen”, war jedoch alles, was sie herausbrachte.
Er konnte nicht mit ansehen, wie sich das Blut auf ihrer Brust weiter ausbreitete. “Ich weiß, Baby, ich weiß. Hast du ihn gesehen? Weißt du, wer es war?”
Eine Krankenschwester schob Trey aus dem Weg, da sie sich dem OP näherten.
“Detective … Sir … Sie können nicht mitkommen.”
Olivia fühlte Treys Hand auf ihrer. Mit aller Kraft, die sie noch aufbringen konnte, klammerte sie sich an ihm fest und zog ihn zu sich.
Er merkte, was sie vorhatte, und beugte sich über sie, da er sah,
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