Wie ein stummer Schrei
zwischen den beiden Cousins ein Ende zu setzen. Als Terrence Carolyn heiratete, erklärte sie Marcus, diese offene Feindschaft müsse beigelegt werden. Sie wollte nicht, dass Carolyn darunter litt, von einer Familie ausgeschlossen zu werden, in die sie gerade erst eingeheiratet hatte. Wider jede Vernunft gab er Amelias Wunsch nach.
Olivias Geburt war ein Ereignis, das von der Familie groß gefeiert wurde, und Terrence machte sich voller Stolz den Titel des Onkels zu eigen, obwohl er nur ein Cousin war. Als er und seine Frau dann wegzogen, war Marcus erleichtert, auch wenn es nichts an den Erinnerungen änderte, mit denen er leben musste. Manchmal liefen die alten Bilder immer noch wie ein Film vor seinem inneren Auge ab.
So viele Jahre waren seitdem vergangen, doch er hasste diesen Mann noch immer. Er hatte gehofft, ihn nach dem Wegzug nach Italien nie wiedersehen zu müssen. Durch die Entdeckung des toten Babys war diese Hoffnung nun zunichte gemacht worden. Marcus dachte unwillkürlich darüber nach, ob Terrence wohl der Vater dieses Kindes war. Zumindest würde es eine Menge erklären. Nach dem, was dieser Mann Amelia angetan hatte, war Marcus davon überzeugt, Terrence könnte auch seine Ehefrau betrogen haben. Allerdings konnte er sich nicht dazu durchringen, in seinem Cousin einen potentiellen Mörder zu sehen, erst recht keinen, der sein eigenes Kind umbrachte. Er hatte Olivia nach allen Regeln der Kunst verwöhnt, bis er schließlich ihr liebster Verwandter geworden war – abgesehen natürlich von ihrem Grampy. Aber damals war sie auch noch ein kleines Kind gewesen. Terrence und Carolyn waren fortgezogen, noch bevor die Entführung geschah.
Und morgen würden diese beiden in sein Leben zurückkehren. Es war fast mehr, als Marcus ertragen konnte, zumal er jeden Tag mit all diesen schrecklichen Erinnerungen zu Olivia ins Krankenhaus ging.
Olivia saß auf einem Stuhl und sah den beiden Krankenschwestern zu, wie die das Bettzeug wechselten. Ihr Geplapper nahm sie kaum wahr. Erst als Treys Name fiel, horchte sie auf. Immer wieder hatte sie bruchstückhaft etwas darüber mitbekommen, wie heldenhaft er gewesen war, aber sie wollte die ganze Geschichte hören.
“Entschuldigung, aber was haben Sie da gerade eben über Detective Bonney gesagt?” warf sie ein.
Die kleinere, rothaarige Krankenschwester verdrehte amüsiert die Augen. “Sie meinen, abgesehen von der Tatsache, dass er ein solcher Schatz ist?”
Olivia grinste sie an. “Ja, abgesehen davon.”
“Ach, wir sprachen nur gerade darüber, wie er den Kerl geschnappt hat, der im Materialraum das Feuer gelegt hatte.”
“Der Mann, der mich umbringen wollte?” fragte Olivia.
Die Schwester nickte, dann schilderte sie äußerst lebhaft, wie Trey den Mann überwältigt hatte. “Das war wie in einem Actionfilm”, fügte sie dann noch an.
Olivia lief ein eisiger Schauer über den Rücken. Sie hatte den Mann gesehen, das wahnsinnige Aufblitzen in seinen Augen bemerkt. Dass er es bis in dieses Zimmer geschafft hatte und ihrem Leben fast ein Ende gesetzt hätte, war ein schrecklicher Gedanke. Ohne Treys Einschreiten wäre es ihm gelungen, seinen Plan in die Tat umzusetzen.
Ein paar Minuten später waren die Schwestern fertig. “Möchten Sie sich wieder hinlegen?” fragte die Rothaarige.
“Nein, ich glaube, ich bleibe lieber noch eine Weile hier sitzen.”
“Der Doktor meint, Sie können morgen zurück nach Hause”, merkte die Schwester an. “Sie sind bestimmt froh darüber, aber Sie haben sich auch gut erholt, wissen Sie?”
“Ja, ich weiß”, entgegnete Olivia. “Ich habe großes Glück gehabt.”
“Oh ja, das haben Sie, Honey. Sie müssen einen sehr aufmerksamen Schutzengel haben … abgesehen natürlich von diesem Detective, den ich zum Anbeißen finde.”
Olivia lächelte, obwohl ihr nicht danach war. Der Stress der letzten zwei Wochen holte sie nun allmählich ein, und kaum hatten die Krankenschwestern das Zimmer verlassen, begann sie wieder zu weinen. Zum ersten Mal in ihrem Leben war ihr bewusst geworden, wie schnell alles vorüber sein konnte. Sie und ihr Großvater hatten eben noch ein privilegiertes Leben im Luxus geführt, und nur einen Tag später wurde ihre ganze Vergangenheit in den Zeitungen ausgebreitet. Noch bevor sie das hatte verarbeiten können, versuchte jemand, sie umzubringen – und das gleich zweimal. Sie wollte wieder ihr sicheres Leben zurückhaben.
Schweren Herzens verließ Marcus den Aufzug und zwang sich,
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