Wie einst in jenem Sommer
darüber nachdenken, wie sie Andreas möglichst schonend beibrachte, dass sie Lilly mit nach England nehmen wollte. Darüber zerbrach sie sich den Kopf, als sie Lilly badete.
Sollte sie einfach eine beiläufige Bemerkung machen oder direkt aufs Thema lossteuern? Auf jeden Fall war Fingerspitzengefühl gefragt.
Es ging um das Kind von Andreas’ Bruder. Carrie wusste, wie wichtig Blutsbande waren. Und sein griechischer Stolz durfte auch nicht verletzt werden. Also durfte sie ihm nicht direkt ins Gesicht sagen, dass Lilly bei ihr besser aufgehoben wäre. Obwohl das natürlich der Fall war.
Ein Kind braucht eine Mutter, ein sicheres, stabiles Umfeld, kein Personal, das ständig wechselt, dachte Carrie und nahm sich vor, diesen Punkt besonders zu betonen, wenn sie nachher mit Andreas sprach. Er musste einsehen, dass er als Workaholic ungeeignet war, ein Kind großzuziehen.
Schließlich brachte Carrie das Baby ins Bett, deckte es sorgfältig zu und gab der Kleinen einen Gutenachtkuss.
Langsam wurde sie nervös. Was mache ich bloß, wenn Andreas nichts von meinem Entschluss wissen will?, überlegte sie. Das könnte sie nicht ertragen.
Doch was sollte sie tun? Sie hatte keinerlei Rechte in Bezug auf Lilly. Schließlich waren sie nicht einmal miteinander verwandt.
Als der Zeiger der Küchenuhr sich auf sieben zubewegte, waren Carries Nerven zum Zerreißen angespannt.
Die Lammkeule schmorte im Ofen, der Tisch im Esszimmer war gedeckt. Carrie ging ins Schlafzimmer und überlegte, was sie anziehen sollte. Vielleicht das kleine Schwarze? Es war schlicht, aber sexy. Oder wären T-Shirt und Caprihose besser?
Es konnte nichts schaden, möglichst attraktiv auszusehen. Vielleicht stimmte Andreas das milder.
Aber eigentlich ging es ja gar nicht um ihr Aussehen, sondern um eine für Lillys zukünftiges Leben wichtige Entscheidung. Also doch nicht das Kleid, sondern Caprihose und T-Shirt.
Zehn Minuten später zog sie sich wieder um und trug nun doch das kleine Schwarze, als sie in die Küche zurückkehrte.
Sie bereitete gerade einen griechischen Salat als Vorspeise zu, als sie den Hubschrauber näher kommen hörte.
Zum hundertsten Mal übte sie ihre kleine Rede ein.
Ich habe lange nachgedacht, Andreas, und ich bin wirklich der Meinung …
Die Haustür ging auf, und sie hörte Schritte.
… wirklich der Meinung … Ihr stockte der Atem, als Andreas in der Küche auftauchte. Die Rede war vergessen.
„Hallo, wie geht’s?“, fragte er lächelnd.
„Sehr gut, danke. Wie war dein Tag?“
„Hektisch.“ Langsam ließ er den Blick über sie gleiten, bevor er die Kochtöpfe auf dem Herd entdeckte. „Das ist ja eine richtig häusliche Szene hier.“
„Findest du?“ Geflissentlich überhörte sie seinen leicht verärgerten Tonfall und versuchte, Andreas’ durchdringenden Blick zu ignorieren.
„Ich habe doch gesagt, ich würde mich ums Abendessen kümmern, oder?“
„Stimmt. Mir war nur nicht klar, dass du dich so ins Zeug legen würdest.“
Ihr war nur zu bewusst, wie er sie erneut von oben bis unten musterte. Offensichtlich gefielen ihm das sexy Trägerkleid und die hochhackigen Pumps.
„Du siehst wunderschön aus“, bemerkte er.
„Danke.“
Als ihre Blicke sich trafen, knisterte es zwischen ihr und Andreas. Wieso hat er noch immer diese Wirkung auf mich?, überlegte sie ärgerlich. Sie wollte sich jetzt nicht von Gefühlen ablenken lassen. Die komplizierten alles nur noch viel mehr.
„Wie war dein Tag mit Lilly?“
„Gut.“ Seltsam, wie einsilbig sie plötzlich klang. Irgendwie hatte sie das Gefühl, ihr Verstand habe einen Aussetzer. Dafür spielten ihre Gefühle jetzt völlig verrückt. Sie empfand tiefe Sehnsucht nach Andreas, und das ärgerte sie. Andreas bedeutet mir gar nichts, basta!, dachte sie wütend. Nur Lilly zählte. „Sie hatte einen richtig guten Tag.“
„Das freut mich. Du kannst mir alles erzählen, wenn ich wieder herunterkomme. Wann gibt es Abendessen?“
„In etwa zwanzig Minuten.“
„Okay. Dann wünsche ich ihr noch schnell eine gute Nacht und mache mich etwas frisch. Ich bin gleich wieder da.“
„Sie schläft. Lass dir ruhig Zeit, ich habe hier alles unter Kontrolle.“
Je länger er fort ist, desto besser kann ich mich sammeln, dachte Carrie und sah ihm nach.
Sie öffnete eine Wasserflasche und schenkte sich ein Glas ein, bevor sie den Rest in eine Karaffe schüttete, die sie auf den Esszimmertisch stellte.
Der Tisch war geschmackvoll gedeckt. Die Kristallgläser
Weitere Kostenlose Bücher