Wie einst in jenem Sommer
Zärtlichkeiten versetzt hatte, und erkannte, dass Andreas sie nur so leidenschaftlich geküsst hatte, um ihr seine Sicht der Dinge deutlich zu machen. Er hatte leichtes Spiel gehabt! Beschämt zog sie das Kleid hoch, um ihre Blöße zu bedecken. Ihre Hände bebten so stark, dass es ihr nicht gelang, den Reißverschluss wieder hochzuziehen.
„Zugegeben, du kannst mich erregen.“ Zornig funkelte sie ihn an. „Aber das hat nichts zu bedeuten. Du hast vorhin selbst zugegeben, dass es sich lediglich um eine chemische Reaktion handelt.“
„Es ist mir egal, wie man es nennt. Ich wollte dir lediglich beweisen, dass eine Beziehung zwischen uns funktionieren könnte – Lilly zuliebe.“
Erstaunlich, wie leidenschaftlich er sie küssen konnte und im nächsten Moment wieder völlig unbeteiligt wirkte. Aber für ihn waren Liebe und Begehren ja zwei Paar Schuhe.
„Auf Sex kann man keine Beziehung aufbauen“, murmelte sie verstört.
„Aber ohne Sex funktioniert eine Beziehung auch nicht. Würden wir einander nicht begehren, hätte ich niemals vorgeschlagen zu heiraten. Wäre ich nicht sicher, dass du Lilly liebst und ihr eine gute Mutter sein wirst, würde ich dich bitten, uns in Ruhe zu lassen.“
Er bemerkte, wie stark ihre Hände zitterten, als sie versuchte, den Reißverschluss hochzuziehen.
„Du hast gesagt, du würdest alles tun, um Lilly eine sichere Zukunft zu ermöglichen“, gab er leise zu bedenken.
„Das ist auch mein voller Ernst.“ Ihr tränenverschleierter Blick rührte ihn. Sie wirkte so schutzlos. „Aber dies hier macht mir Angst, Andreas.“
Er nickte verständnisvoll. Plötzlich war er heilfroh, dass er eben gegen sein Verlangen angekämpft hatte. Carrie musste aus freien Stücken zu ihm kommen. „Ich weiß, was du meinst.“
„Ja?“
„Natürlich! Es ist für uns beide ein großer Schritt. Aber denk bitte daran, dass wir beide für Lilly die Familie sein könnten, die sie braucht.“
Diese Worte nahmen ihr den Wind aus den Segeln.
„Ich werde mein Bestes geben, dich und Lilly glücklich zu machen, Carrie“, versprach er. „Ich biete euch eine Zukunft in gesicherten Verhältnissen. Es wird euch an nichts fehlen.“
Das Herz tat ihr weh, als sie Andreas anschaute.
„Denk in aller Ruhe darüber nach“, bat er leise. „Lilly zuliebe. Ich glaube wirklich, es ist die beste Lösung.“
Schlaflos warf Carrie sich in dem riesigen Doppelbett hin und her. Die Hitze war kaum auszuhalten. Außerdem ließ Carrie immer wieder die Ereignisse des zurückliegenden Abends Revue passieren. Andreas’ „Heiratsantrag“, seine Überzeugung, Liebe sei keine Garantie für ewiges Eheglück.
Er hatte recht. Die Ehe ihrer Eltern war gescheitert, obwohl sie einmal einander geliebt hatten.
Und Mike hatte behauptet, er liebe sie, aber das war eine Lüge gewesen. Er wollte sie damit nur in sein Bett bekommen. Als sie herausfand, dass er sie betrog, hatte er nur die Schultern gezuckt und erklärt, sie hätte sich das selbst zuzuschreiben, weil sie sich geweigert habe, mit ihm zu schlafen.
Wenigstens hatte Andreas ihr von vornherein reinen Wein eingeschenkt. Er hatte nie vorgegeben, sie zu lieben. Er hatte sie auch nicht mit Worten verführt, mit ihm zu schlafen.
Und sie begehrte ihn … Sie spürte noch seine heißen Küsse, erinnerte sich an die Wogen leidenschaftlichen Verlangens, die sie durchflutet hatten. Es erschreckte sie aber auch, wie mühelos er diese Gefühle in ihr entfesseln konnte.
Der Schmerz, als sie Andreas vor zwei Jahren verlassen hatte, war unglaublich heftig gewesen. Wie würde es ihr erst ergehen, wenn sie Andreas heiratete und die Ehe scheiterte?
Was soll ich nur tun?, überlegte sie verzweifelt.
Wenn sie Andreas heiratete, hätte Lilly eine Familie. War das nicht am wichtigsten?
Gab sie ihm dagegen einen Korb, wäre Lilly auf Gedeih und Verderb fremden Leuten ausgeliefert – möglicherweise sogar einer Stiefmutter, die etwas gegen sie hatte.
Ich muss seinen Antrag annehmen, dachte Carrie, drehte das Kopfkissen auf die andere Seite und fiel in der ersten Morgendämmerung in einen unruhigen Schlaf.
Wenig später wachte sie wieder auf, weil Lilly sich regte und zufrieden gluckste. Lächelnd schlüpfte Carrie in ihren Morgenmantel und ging nach nebenan.
„Guten Morgen, meine Süße. Hast du gut geschlafen?“
Die Kleine lächelte entzückt und hob die Ärmchen hoch.
Carrie nahm sie auf den Arm. „Hast du Hunger?“
Wie konnte sie das kleine Mädchen im Stich lassen?
Weitere Kostenlose Bücher