Wie einst in jenem Sommer
Es würde ihr das Herz brechen, Lilly nie wiederzusehen.
Sie trug das Baby durch das stille Haus und ging in die Küche, um ein Fläschchen zu bereiten.
Tag und Nacht würde sie die Frage quälen, ob es der Kleinen auch gut gehe.
Nachdenklich blickte sie aus dem Küchenfenster, während sie wartete, dass das Wasser warm wurde. Andreas war bereits auf und zog seine Bahnen im Pool. Energiegeladen pflügte er förmlich durchs Wasser. Fasziniert beobachtete sie ihn einen Moment lang.
Als sie kurz darauf noch einmal hinausblickte, zog Andreas sich geschmeidig auf den Beckenrand. Die Morgensonne verlieh seinem makellosen Körper einen goldenen Schimmer. Er ist wunderschön, dachte Carrie hingerissen. In ihrem Bauch schienen Schmetterlinge zu flattern.
Energisch wandte sie sich ab und ignorierte das sehnsüchtige Ziehen.
Doch als sie das Fläschchen bereitet hatte, riskierte sie noch einen schnellen Blick. Andreas war inzwischen in eine Jeans geschlüpft, hatte das Handtuch lässig über eine Schulter geschwungen und kam ins Haus.
„Morgen, Carrie.“ Er machte die Tür hinter sich zu und lächelte. „Machst du zufälligerweise gerade Kaffee?“
Seine Lässigkeit verblüffte sie. Vielleicht hatte sie sich seinen Antrag und seine leidenschaftlichen Küsse gestern Abend nur eingebildet?
„Ja, das Wasser hat gerade gekocht. Kaffee kommt gleich.“
„Danke.“ Er beugte sich zu Lilly hinunter, die in ihrer Babywippe aufs Frühstück wartete. „Und wie geht es meinem kleinen Liebling heute Morgen?“
Die zärtlichen Worte verstärkten Carries sehnsüchtige Gefühle. Sie vermied es, die anrührende Szene zu beobachten. Lilly lachte und gluckste vor Vergnügen.
„Musst du gleich ins Büro?“
„Nein, heute nicht. Heute ist Samstag.“
„Ach ja, das hatte ich ganz vergessen“, sagte Carrie leise.
Andreas sah auf und beobachtete, wie sie Tassen aus dem Schrank nahm. Ihr seidiges blondes Haar war verstrubbelt. Sie wirkte blass, und ihre Augen waren viel zu groß, als sie ihn jetzt nervös anschaute.
„Was hast du denn heute vor?“, fragte sie, als sie ihm die Kaffeetasse reichte.
„Ab neun Uhr führe ich Bewerbungsgespräche. Den restlichen Tag habe ich mir freigehalten. Möchtest du dabei sein, wenn ich die Kindermädchen auf Herz und Nieren prüfe?“
Wieso führt er die Gespräche, obwohl er mir gestern Abend einen Heiratsantrag gemacht hat?, überlegte sie. Allerdings hatte sie ihm noch keine Antwort gegeben. Außerdem ließen die Termine sich wahrscheinlich nicht so kurzfristig absagen.
Carrie nickte bejahend. „Ja, das würde ich gern. Danke.“ Sie hob Lilly aus der Wippe, setzte sie sich auf den Schoß und gab ihr das Fläschchen. Das Baby saugte schmatzend und schaute Carrie vertrauensvoll an.
„Seit deiner Ankunft wirkt sie viel zufriedener“, bemerkte Andreas.
Ihre Blicke trafen sich, doch bevor Carrie antworten konnte, war Andreas schon aufgestanden und ging zur Tür. „Ich gehe jetzt duschen. Bis später.“
Als Carrie schließlich erst Lilly umgezogen hatte und dann sich selbst, war Marcia bereits eingetroffen. Die erste Bewerberin wartete bereits im Salon.
Carrie, die Lilly auf dem Arm hatte, betrachtete konsterniert das Kindermädchen. Älter als sechzehn, siebzehn Jahre konnte es kaum sein. Es trug Zöpfe, einen Minirock, Leggings und hochhackige Sandaletten.
„Hat sie Erfahrung mit Babys und irgendwelche Referenzen?“, fragte Carrie, als sie Andreas im Büro aufgespürt hatte.
„Selbstverständlich.“ Er sah auf und lächelte ihr beruhigend zu. „Sonst hätte ich sie wohl kaum zu einem Gespräch hergebeten.“
Höflich rückte er ihr einen Stuhl zurecht. „Setz dich doch und wirf schnell einen Blick in die Bewerbungsmappe, bevor ich die erste Kandidatin hereinrufe. Drei Bewerberinnen sind in die engere Wahl gekommen. Sie alle wurden von einer Agentur empfohlen, die einen ausgezeichneten Ruf genießt.“
Carrie setzte sich Lilly auf den Schoß und blätterte in den Papieren.
Eine Stunde später kam sie zu dem Schluss, dass die erste Bewerberin am besten geeignet war. Wenigstens hatte sie sich auch mit Lilly beschäftigt und Anteilnahme an ihrem Schicksal zum Ausdruck gebracht. Allerdings konnte sie den Job nur vorübergehend annehmen, da sie spätestens in einem Jahr heiraten und fortziehen würde.
Bei der zweiten Kandidatin handelte es sich um eine ältere, streng wirkende Frau, die Lilly kaum eines Blickes würdigte und darauf bestand, dass ihre Bedingungen
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