Wie entführt man einen Herzog?
unglücklichen Eindruck gemacht. Doch nachdem ihm klar geworden war, dass nicht er zum Bräutigam auserkoren war, hatte er sich ein wenig entspannt. Er hatte sich sogar die Freiheit genommen, zu seiner Herrin zu sagen: „Einen Gatten kann man nicht so einfach anmieten wie eine Kutsche, Miss.“
Penelope hatte eine optimistische Miene aufgesetzt und erwidert: „Die Enttäuschungen, die ich in der Vergangenheit erlebt habe, hingen zweifellos mit den unrealistischen Erwartungen zusammen, die sowohl ich als auch gewisse Gentlemen hegten. Ich suchte nach einem Seelenverwandten, sie wünschten sich eine fügsame Gattin. Nun, fügsam werde ich nie sein. Zudem sind die meisten jungen Damen hübscher als ich. Deshalb habe ich mich inzwischen damit abgefunden, dass ich wohl kaum einen Gemahl finden werde, der meine Interessen teilt und mich wirklich versteht. Aber irgendwer wird bereit sein, mich zu heiraten.“
Jem hatte seine Lippen fest zusammengekniffen und geschwiegen.
„Ich werde“, erklärte Penelope nun ungerührt, „meinem Zukünftigen eine Art Vertrag anbieten. Wir alle wissen, wie hart die Zeiten sind. Viele ehrbare Männer, gerade im nördlichen England, haben ihre Arbeit verloren. Warum sollte nicht einer von ihnen bereit sein, mich gegen eine angemessene Entschädigung zur Frau zu nehmen? Ein rein geschäftlicher Vorgang …“
Jetzt konnte der alte Diener sich nicht länger beherrschen. „Es ist nicht richtig, die Ehe wie ein Geschäft zu führen.“
„Mein Bruder hat mir oft genug versichert, dass sie in meinem Fall einerseits ein gutes Geschäft, andererseits eine unangenehme Aufgabe für den Ehemann sein würde. Warum also sollte ich versuchen, einem Gentleman, der als Bräutigam infrage käme, etwas anderes zu vermitteln? Ich werde ihm klarmachen, dass er nur ein paar Papiere unterzeichnen und eine Zeit lang mit mir im gleichen Haushalt leben muss, damit Hector zufrieden ist. Andere eheliche Pflichten braucht er nicht zu übernehmen. Ich erwarte weder Treue noch eine Änderung seines Lebensstils von ihm. Zudem werde ich ihn für seine Mühen gut entlohnen.“
„Aber Männer haben … Bedürfnisse“, murmelte Jem. „Keiner wird sich damit zufriedengeben, Ihnen …“
„Unsinn!“, unterbrach sie ihn. „Sehen Sie mich doch an! Man hat mir oft genug zu verstehen gegeben, dass es mir an weiblichen Reizen fehlt. Warum sollte ein Mann mir zu nahe treten wollen, wenn er durch die Eheschließung nicht in seinen Freiheiten beschnitten wird?“
Der Bedienstete schüttelte den Kopf.
„Außerdem habe ich Sie ja mitgenommen, damit Sie, wenn nötig, meine Ehre schützen können.“
„Wenn Sie erst verheiratet sind, kann niemand Sie vor Ihrem Gatten schützen. Sie müssen sich ihm unterordnen.“
Penelope zuckte die Schultern. „Jetzt muss ich mich Hectors Wünschen und Entscheidungen beugen. Natürlich werde ich mir einen Gemahl suchen, der nicht so unnachgiebig wie mein Bruder ist. Ich bin mir darüber im Klaren, dass ich ein Risiko eingehe. Aber ich bin sicher, dass ich Mittel und Wege finde, meinen Willen durchzusetzen.“
„Sie könnten an den falschen Mann geraten.“
„Ich werde vorsichtig sein. Und über alles Weitere werde ich mir Gedanken machen, wenn die Zeit dafür gekommen ist.“ Sie wandte den Kopf ab und schaute aus dem Fenster. „Wir sind schon so nah an der Grenze. Eigentlich hatte ich gehofft, früher auf einen passenden Ehekandidaten zu treffen.“
„Wir sollten beim nächsten Gasthof noch einmal Pause machen.“
„Unbedingt! Es wäre gut, wenn ich endlich einen Gentleman kennenlernen würde, der nicht sehr klug, aber liebenswürdig ist. Ich fände es auch nicht schlimm, wenn er trinkt. Wenn immer genug geistige Getränke im Haus sind, wird er mir wahrscheinlich kaum Beachtung schenken.“
Jem sah entrüstet drein. „Der arme Kerl soll ständig betrunken sein, damit Sie tun und lassen können, was Sie wollen?“
„Ich beabsichtige lediglich, ihm die Gelegenheit zu geben, sich das eine oder andere Glas zu gönnen. Wenn er dem Angebot nicht widerstehen kann, dürfte das wohl kaum mein Fehler sein.“
Die Pferde verlangsamten ihren Schritt. Offenbar näherte man sich einem Wirtshaus. Penelope schickte ein stilles Gebet zum Himmel. Wenn sie doch nur endlich einen passenden Bräutigam finden würde! In den anderen Gasthöfen war sie nur zwei Sorten von Männern begegnet: Die einen waren viel zu arrogant und wohlhabend, um Interesse an einem Angebot wie dem ihren zu
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