Wie es Euch gefaellt, Mylady
Sommerkleid.
„Ich denke, Lucy hatte vor ihrer Ehe ein Auge auf Russell geworfen“, sagte sie sinnend. „Ich bin mir nicht sicher, ob er es bemerkt hat.“
Heath zog die Brauen hoch und versuchte nicht, auf den sanften Schwung ihres Rückens zu achten, als sie sich vorbeugte, um ein Blatt von ihren goldenen Schuhen zu streifen. Keine andere Frau bewegte sich mit solcher Anmut.
„Ich denke“, erklärte er, ohne davon überzeugt zu sein, „dass derartige Fragen sich nicht mehr stellen, wenn ihr erst verheiratet seid.“
„Ja.“ Sie seufzte und wirkte plötzlich nicht mehr selbstbewusst, eher schutzlos, eine bezaubernd unschuldige junge Frau. „Ich weiß nicht recht. Ich weiß nicht, ob es mir leichtfällt, mit Russells Berühmtheit umzugehen.“
Heath stutzte. Beide waren im Begriff, sich auf gefährliches Gelände zu wagen. Eine Blaumeise landete wippend auf einem überhängenden Zweig und pickte nach einem Käfer. „Warum sagst du das?“
„Russell ist sehr auf sein öffentliches Ansehen bedacht. Ich bin sicher, er genießt es, von Frauen bewundert zu werden. Das tun doch alle Männer.“
„Nicht alle.“ Er jedenfalls hatte die Nachstellungen von Frauen satt. Natürlich hatte es ihm in seiner Jugend gefallen, bewundert zu werden. Aber mittlerweile sehnte er sich nach viel mehr.
„Das sagst ausgerechnet du, Heath. Kein Boscastle ist ein Heiliger.“
Das wollte er gar nicht leugnen. „Mit Ausnahme meiner Schwester Emma.“
Julia lachte. „Vielleicht hat sie den richtigen Mann noch nicht getroffen.“
„Oder den falschen.“
Julia wurde ernst. „Weißt du, was ich kürzlich zufällig hörte? Eines meiner Mädchen sagte, Russell sei ein Schurke und heirate mich nur, weil ich ein großes Vermögen geerbt habe.“
Russell erschrak. „Das ist doch lächerlich, Julia.“
„Na ja, eigentlich nicht. Ich bin ziemlich wohlhabend.“
„Aber Russell machte dir den Hof, bevor du geerbt hast.“
„Ja.“
„Woran ist dein Vater eigentlich gestorben?“, fragte er leise.
„An einem Schlaganfall.“ Sie sah ihm in die Augen. „Ich verrate dir ein Geheimnis. Er hoffte, du würdest um meine Hand anhalten.“
Sie lachte wieder und malte mit ihren viel zu spitzen Schuhen Kringel in den Sand. Der Wunsch, sie zu beschützen, stieg machtvoll in ihm hoch, wenn er ihr nur Enttäuschung und Leid ersparen könnte. Ein Vermögen? War das möglich? Der alte Viscount hatte nie mit seinem Reichtum geprahlt. Aber Heath glaubte fest daran, dass Russell Julia nicht wegen ihres Geldes heiratete, auch wenn er hinter ihrem Rücken Affären hatte, der Trottel.
Heath wusste nicht, was er sagen sollte. Er hätte sich nie träumen lassen, dass Julia mit ihrem Vater über ihn gesprochen hatte. „Davon ahnte ich nichts. Ich hätte nicht gedacht, dass dein Vater auf diese Idee kommen könnte.“
„Ich auch nicht, ehrlich gestanden.“ Sie lächelte versonnen. „Das sagte er erst auf seinem Sterbebett. Eigentlich hatte er nichts gegen Russell, aber dich mochte er am liebsten von all den jungen Männern der Londoner Gesellschaft.“
Heaths Miene verriet keine Regung. „Tatsächlich?“
„Ja.“ Und plötzlich lächelte sie verschmitzt. „Er erwischte Russell einmal, wie er beim Kartenspielen mogelte. Danach konnte er ihn nicht mehr besonders gut leiden.“
Heath schmunzelte.
„So etwas würde dir natürlich nie passieren“, fuhr sie schnippisch fort. „Du mogelst nie beim Kartenspielen, wie?“
„Jedenfalls lasse ich mich nicht dabei erwischen.“
„Aber würdest du mogeln?“, hakte sie nach.
Sie drehten sich gleichzeitig einander zu. Ohne nachzudenken, legte er die Hand an ihre Schulter und zog sie näher. Sie waren allein, niemand konnte sie sehen. Heath hatte sich nur einmal in seinem Leben zu einer Unbesonnenheit hinreißen lassen. In dieser Hinsicht unterschied er sich gründlich von seinen Brüdern, die jeder Laune nachgaben und ihrem Ungestüm freien Lauf ließen.
Er war stolz auf seine Selbstbeherrschung und wurde von seinen Geschwistern dafür bewundert, die häufig seinen Rat suchten. Er war der vernunftbegabte der Boscastle Brüder, der immer kühlen Kopf bewahrte und den Russell zum Beschützer seiner Verlobten gewählt hatte.
Ein Beschützer, der sich in ein Raubtier verwandelte. Er war machtlos dagegen.
Er ließ seine Hand über ihre halb entblößte Schulter gleiten, weiter bis zur Rundung ihrer Hüfte und zog sie an sich. Sie leistete keinen Widerstand. Dann legte er die andere Hand
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