Wie es Euch gefaellt, Mylady
rücken?“
„Bitte.“ Hör nicht auf, mich zu berühren. Sein Blick wanderte über ihre goldschimmernden Schultern zu ihrer Kehle, wo ihr Puls schlug, das einzige sichtbare Zeichen seiner Wirkung auf sie, während ihm sein Herzschlag in den Ohren dröhnte wie eine Kriegstrommel.
„Hast du mit Russell …“
„Nein“, unterbrach sie ihn hastig und hob den Blick. „Wir haben uns nie einander hingegeben.“
Er lächelte träge. Ihre Antwort gefiel ihm. „Ich wollte eigentlich fragen, ob ihr beide in London leben wollt.“
„Ich denke schon. Wenigstens ein paar Monate im Jahr.“ Sie zupfte noch einmal an seiner Krawatte. „Wirst du es ihm sagen?“, fragte sie vorsichtig.
„Was denn?“, fragte er unschuldig.
„Dass ich dich geküsst habe.“
Ihre Wangen waren rosig, ihre Lippen köstlich geschwollen und feucht.
„Ich habe dich zuerst geküsst.“ „Ja, aber …“
„Aber?“, hakte er zärtlich nach.
Sie seufzte. „Ich habe mich nicht dagegen gewehrt.“
Er schüttelte den Kopf. „Ich habe dich dazu verführt.“
Julia wischte ihm ein Stäubchen vom Revers. Ihre besorgte Miene wich einem Anflug von Heiterkeit. Etwas zu bedauern war nicht ihre Art. Auch keine heimlichen Küsse. Ihre Respektlosigkeit war entzückend. „Es war ein Kuss, Heath. Nicht der Vertrag von Paris.“
Er sah sie mit gespielter Strenge an. Das Ziehen in seinen Lenden war noch nicht abgeflaut, und sein Herzschlag beruhigte sich nur langsam. „Küsst du häufig andere Männer?“
„Ich nutzte jede Gelegenheit.“
„Habe ich deine Neugier befriedigt?“
Sie nippte von dem Glas, das sie neben sich auf die Bank gestellt hatte. Und er registrierte, dass ihre Hand nicht ganz ruhig war. Gut. „Und wie steht es mit dir? Bist du zufrieden?“
„Zufrieden würde ich meinen gegenwärtigen Zustand nicht nennen, Julia.“
„Mir ergeht es ebenso“, gestand sie und blickte auf ihre Hände im Schoß. „Ich bin aufgewühlt und ärgere mich über mich selbst, wenn du es wissen willst.“
Er nahm eine Bewegung wahr und wandte den Kopf. Ihr Tête-à-Tête wurde gestört. Lady Dalrymple und der Earl näherten sich dem Paar auf der Gartenbank, offenbar in einen hitzigen Wortwechsel vertieft. Heath erhob sich und setzte eine sachliche Miene auf. „Nun, ich will mich nicht beklagen. Und es versteht sich von selbst, Julia, dass ich nicht darüber spreche.“
9. KAPITEL
Julia trat ans Fenster ihres Schlafzimmers und zog die Nadeln aus ihrem Haar. Nach diesem Tag, den sie zum schönsten Tag ihres Lebens erkoren hatte, war sie hellwach und rastlos. Auf dem Gartenfest hatte sie drei Gläser Champagner getrunken und war auf der Heimfahrt eingedöst. Nun horchte sie auf das leise Plätschern des Regens auf den Rhododendronsträuchern im Garten und das gedämpfte Hufeklappern von der Straße her.
Sie hatte sich gegen zehn Uhr abends zurückgezogen. Heath hatte sich erneut geweigert, das Haus zu verlassen, und es sich wieder im Salon mit einem Buch bequem gemacht. Es war ihr schwergefallen, nicht bei ihm zu bleiben.
Sie musste eine Lösung finden, um ihn aus seiner Verpflichtung zu entlassen.
Dieser Nachmittag hatte ihr wieder einmal die Gefahr vor Augen geführt, was passieren konnte, wenn sie allein mit ihm war.
Die heimlichen sehnsüchtigen Blicke der Damen waren ihr nicht entgangen, einige hatten ihm sogar verführerisch und kokett zugelächelt. Er hatte diese Blicke selbstverständlich gleichfalls bemerkt, sie aber nur mit einem höflichen Kopfnicken erwidert, ohne sich mit einer Dame länger zu unterhalten. Russell hätte mit allen Damen angeregt geplaudert und geflirtet, sich stets des Eindrucks bewusst, den er in der Öffentlichkeit machte. Bei einem Theaterbesuch vor zwei Wochen hatte er mit beinahe allen Besuchern geplaudert wie mit alten Freunden, mit Ausnahme der Logenschließer, und Julia wäre vor Verlegenheit am liebsten geflohen. An Heath schienen bewundernde Blicke jedoch immer abzuprallen wie an einem Steinwall.
Welche Dame würde irgendwann sein Herz gewinnen? Eines Tages würde es geschehen. Julia war nicht wohl bei dem Gedanken, dass Heath demnächst einer schönen und reichen Erbin den Hof machen würde. Ob er ein treuer Ehemann wäre? Und sie fragte sich, ob nach den Küssen auf dem Gartenfest etwas zwischen ihnen bereinigt war oder ob sich nur weitere ungelöste Fragen aufgetan hatten. Sie fühlte sich immer noch benommen vom Nachhall der Leidenschaft. Schwach und wehmütig. Und sie schämte sich, aber…
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