Wie es Euch gefaellt, Mylady
eine gefährliche Grenze überschritten und sollte ein schlechtes Gewissen haben, was aber nicht der Fall war. „Das habe ich natürlich nicht vergessen, aber ich bin …“
Hermia seufzte tief. „Du zweifelst an deiner Entscheidung? Das habe ich beinahe vermutet. Du warst in Trauer um deinen Ehemann und deinen Vater, als Russell dir den Antrag machte.“
Julia lehnte sich mit dem Rücken gegen den Tisch, als die Stola zu rutschen begann. „Ich weiß nicht genau, was du meinst. Wollen wir von etwas anderem reden? Vermutlich lag Odham dir wieder einmal mit seinem Antrag in den Ohren, hab ich recht?“
„Das ist nicht von Belang“, entgegnete Hermia unwirsch.
Die Zeichnung flatterte vom Tisch.
Hermia bückte sich danach, hielt aber bei Julias Aufschrei erschrocken inne. „Nein. Lass nur! Bemüh dich nicht. Du verrenkst dir nur den Rücken.“
„Ich habe keine Probleme mit meinem Rücken.“
„Aber du könntest ihn dir verrenken, wenn du dich bückst.“ Julia hob eilig das Blatt auf, aber Hermia hatte bereits genug gesehen.
Es war alles vorhanden, in Abstufungen von schwarz, grau und weiß. Jedes Detail von Heaths Körper in seiner ganzen Pracht. Zumindest die Einzelheiten, an die Julia sich erinnerte, und auch die, die sie sich in ihrer Fantasie ausmalte. Und alles übertrieben vergrößert und zur Karikatur verzerrt. Sündig und unzüchtig. Ein Anblick, der jeder Frau die Schamesröte ins Gesicht trieb.
Einen Moment lang fürchtete sie, Hermia sinke in Ohnmacht. Julia hatte ihr in Andeutungen gestanden, dass sie sich in Heath verliebt hatte. Das war allerdings keine Entschuldigung dafür, dass sie unzüchtige Bilder von ihm zeichnete. Im Gesicht der älteren Dame spiegelten sich vielerlei Gefühle, wovon sie gottlob keines in Worte zu fassen vermochte. Schließlich räusperte sie sich vernehmlich.
„Ich rate dir, die Zeichnung sorgfältig zu verstecken, Julia“, sagte sie mit schmalen Lippen. „Sie wird ein Vermögen bei unserer Versteigerung erzielen.“
Heath stand lange im Regen vor Julias Haus, nachdem er sich von ihr verabschiedet hatte. Widerstrebend versuchte er sich aus dem sinnlichen Bann der letzten Stunden zu lösen.
Am Fuß der Treppe hatte er sich tausend Gründe einfallen lassen, um ihr nach oben zu folgen. Waren ihre Fenster geschlossen und verriegelt? War das Schloss an ihrer Tür sicher? Er jedenfalls war mühelos in ihr Zimmer gelangt, hatte er zu bedenken gegeben. Sollte er nicht in ihrem Ankleidezimmer nachsehen, ob sich ein Einbrecher darin versteckte?
„Ich glaube, das ist nicht nötig“, hatte sie entgegnet, und ihre klaren grauen Augen hatten belustigt gefunkelt. Er war sich vorgekommen wie ein Vater, der um sein Kind besorgt war, wobei an seinem mühsam gezähmten Verlangen nichts Väterliches war. Sein Hunger nach ihr glich einem gefangenen Raubtier, das brüllend forderte, freigelassen zu werden.
Mach sie süchtig nach dir.
Dabei war er süchtig nach ihr. Er stand in Flammen und verzehrte sich nach ihr.
Zurückhaltung war seine Stärke. War es nicht so? Oder hatte er bisher die wahre Bedeutung von Verlangen und Leidenschaft gar nicht begriffen?
Erbittert richtete er den Blick auf die kleine Kutsche, die in der nächtlichen Straße auf ihn wartete. Er wollte sich zu Hause umziehen und ein paar Bücher holen, um sich in der bevorstehenden, schlaflosen Nacht abzulenken. Während seiner kurzen Abwesenheit würde Julia gewiss nichts zustoßen.
Und er würde bestimmt nicht lange genug von ihr getrennt sein, um zu ernüchtern. Immer wieder kehrten seine Gedanken zu ihren leidenschaftlichen Liebkosungen zurück. Er quälte sich mit der Erinnerung an ihre Hingabe. Sie war wie flüssiges Feuer unter seinen Händen gewesen, glühender als jede andere Frau in seinem Leben. Sie war die Frau, über die er alles wissen wollte, die er genau kennenlernen wollte, alles an ihr, jeden Gedanken, jede Gemütsbewegung.
Mit hochgezogenen Schultern eilte er auf die Straße. Was würde er tun, falls Russell nach London zurückkehrte, ehe er Julia ganz für sich gewonnen hatte? Diesen wichtigen Punkt hatte er in seinem Gespräch mit Grayson völlig vernachlässigt.
Grayson hätte gewiss keine Bedenken, jedes Mittel einzusetzen, um sein Ziel zu erreichen. Und Heath hatte den Verdacht, dass auch die dunkle Seite seines Wesens zum Vorschein kam, wenn es um Julia ging. Sie gehörte ihm. Russell hatte sie betrogen. Sein Pech, aber mit Herzensangelegenheiten spielte man nicht. Nach dem
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