Wie es mir gefaellt
genau
an diesem Tag, nein, genau in diesem Moment mit ihr Schluss gemacht hatte. Und
was ihr so zusetzte, dass es ihr fast aufs Neue die Tränen in die Augen trieb,
war die Erkenntnis, dass sie jetzt niemanden mehr hatte, den sie lieben
konnte, und niemanden, der sie liebte.
Nicht dass sie nicht fast jeden süßen
Jungen lieben würde, den sie je kennen gelernt hatte, und nicht dass sie nicht
weltweit von jedem Jungen geliebt worden wäre. Serena nicht zu lieben, war
unmöglich. Aber sie wollte jemanden, der sie so mit Aufmerksamkeit
überschüttete, wie es nur jemand kann, der mit Haut und Haaren liebt. Sie
sehnte sich nach dieser seltenen Abart der Liebe, der wahren Liebe. Nach der Art von Liebe, die sie
nie erlebt hatte.
Für ihre Verhältnisse ungewöhnlich
melancholisch und düster gestimmt, zog sie eine Gauloise aus ihrer zerknautschten
schwarzen Kordtasche von Cacharel und zündete sie an, bloß um sie langsam
verglimmen zu sehen.
»Meine Stimmung passt zu dem
Scheißwetter«, murmelte sie, aber als sie ihre beste Freundin Blair Waldorf
die Treppe hinaufkommen sah, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Serena griff
nach dem zweiten Latte, den sie mitgebracht hatte, stand auf und hielt Blair
den Becher hin. »Coole Schuhe«, bewunderte sie Blairs Neuerwerbung.
»Ich leih sie dir gern mal«, sagte
Blair großzügig. »Aber wenn du Flecken draufmachst, bist du tot.« Sie zupfte an
Serenas Ärmel. »Los! Sonst kommen wir zu spät.«
Die beiden Mädchen gingen langsam zur
Fifth Avenue hinunter und machten sich auf den Schulweg. Den Kaffee tranken sie
im Gehen. Der eisige Wind, der durch die nackten Äste der Bäume im Central Park
fuhr, ließ sie erschauern.
»Scheiße, ist das kalt«, presste Blair
zwischen den Zähnen hervor. Sie steckte ihre freie Hand in die Tasche von
Serenas weißem Kaschmirmantel, wie es nur beste Freundinnen dürfen. Dann brach
es aus ihr heraus. »Echt, ich kann dir sagen...« Ihre Tränen hatte sie
mittlerweile unter Kontrolle, aber ihre Stimme zitterte immer noch leicht. »Es
reicht noch nicht, dass sich meine Mutter die ganze Zeit die Eierstöcke
streichelt, nein, heute kommt auch noch so eine Dekoschlampe zu uns, die mein Zimmer in eine Art Baby- Wunderland
verwandeln soll, und das Ganze auch noch in Endivienscheißarschgrün!«
Plötzlich empfand Serena ihre Sehnsucht
nach wahrer Liebe als banal. Ihr Vater hatte sich nicht als schwul geoutet, ihre Eltern waren nicht geschieden,
ihre nicht-mehr- ganz-taufrische Mutter erwartete kein Baby, ihr Stiefbruder
hatte sich nicht erst an sie und dann an ihre beste Freundin rangemacht und
dann beide abserviert, und sie wurde auch nicht gezwungen, aus ihrem Zimmer
auszuziehen. Und dabei war das noch nicht einmal alles. Sie war im fortgeschrittenen Alter von siebzehn
Jahren keine Jungfrau mehr, hatte beim Auswahlgespräch in Yale nicht den
Dozenten geküsst und anschließend auch nicht um ein Haar ihre Unschuld an den
Mann verloren, der das zweite Auswahlgespräch mit ihr geführt hatte, und sich
damit auch noch die allerletzte Chance auf einen Studienplatz in Yale versaut.
Nein - wenn sie ihr eigenes Leben ganz nüchtern betrachtete und mit dem von
Blair verglich, war bei ihr alles im pfirsichrosa Bereich.
»Aber du darfst dafür in Aarons Zimmer
ziehen, oder? Das ist doch gerade erst für ihn neu renoviert worden - und
ziemlich schön.«
»Klar, wenn du auf Hanfteppiche und
Biomöbel aus Ginkoblättern stehst«, sagte Blair gehässig. »Und außerdem«,
setzte sie hinzu, »ist Aaron ein Idiot. Dass wir in den Osterferien nach Oahu
fliegen, war seine Kackidee.«
Serena fand die Idee nicht so kacke,
aber Blair war schlecht drauf, und sie hatte keine Lust, ihr zu widersprechen
und zu riskieren, die Augen ausgekratzt zu bekommen. Die beiden Mädchen
überquerten bei Rot die 86. Straße und wären fast übereinander gestolpert, weil
sie losrennen mussten, um nicht von einem Taxi niedergemäht zu werden. Auf der
anderen Straßenseite blieb Serena atemlos stehen. Ihre blauen Augen glänzten.
»Hey! Zieh doch einfach zu uns!«
Blair kauerte sich hin und umschlang
bibbernd ihre nackten Waden. »Können wir bitte weitergehen?«
»Du kannst in Eriks Zimmer wohnen!«,
sagte Serena. »Und du fliegst auch nicht nach Oahu, sondern kommst mit uns nach
Sun Valley zum Skifahren.«
Blair richtete sich wieder auf, pustete
auf ihren Kaffee und sah ihre Freundin mit zusammengekniffenen Augen durch den
aufsteigenden Dampf an. Als Serena vor einiger Zeit
Weitere Kostenlose Bücher