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Wie es uns gefällt

Wie es uns gefällt

Titel: Wie es uns gefällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ackroyd
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ganz langsam besser gegangen, aber immerhin, es ging aufwärts mit mir. Das weißt du ja alles.»
    «Ja.»
    «Weißt du aber auch, wie man so etwas nachmacht? Weißt du, wie man den ersten Schritt tut?» Samuel Ireland stieg langsam die Treppe hinauf. Auf einer Stufe blieb er stehen, als ringe er nach Luft.
    William wartete, bis sein Vater im ersten Stock verschwunden war, dann ging er zu dem roten Shakespeare-Siegel hinüber, nahm es in beide Hände und fing zu weinen an.
     
     
    Drei Tage nach diesem Vorfall kam William laut pfeifend in den Laden und lief ins Esszimmer hinauf. Rosa Ponting und sein Vater saßen vor einem Steinkohlefeuer und stellten eine Liste von Bekannten zusammen, denen man zum gegenseitigen Nutzen ein Fläschchen Punsch als Weihnachtsgeschenk schicken sollte. «Cummings ist dafür zu alt», konstatierte Rosa soeben. «Er verschüttet nur alles.»
    «Vater, ich habe ein Geschenk.» Er zog ein verblichenes Pergamentblatt aus seiner Brusttasche. «Ein Geschenk für alle Jahreszeiten.» Samuel Ireland stand rasch auf und griff gierig nach dem Blatt. «Es ist sein Testament.»
    «Ein Testament? Kein Letzter Wille?»
    «Zweifelsohne. Hast du mir nicht mal erzählt, er sei als Papist gestorben?»
    Samuel Ireland trat zum Tisch und entfaltete das Dokument. «Es wurde darüber gemunkelt, mehr nicht.»
    Über dieses Thema hatten sie vor kurzem während ihres Besuchs in Stratford diskutiert. Nach dem Besuch im Geburtshaus, wo sie mit Mr Hart Tee getrunken hatten, waren sie die Henley Street entlangspaziert, zum Fluss hinunter. Dabei hatten sie über den Letzten Willen von John Shakespeare gesprochen, den man hinter einem Dachsparren versteckt hatte. Vater und Sohn Ireland hatten spekuliert, ob der Sohn die religiösen Anschauungen seines Vaters übernommen hatte. Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, stieß Samuel Ireland seinen Spazierstock mit dem edelsteinverzierten Knauf auf den Boden. «Angeblich soll Shakespeare einmal ein Theaterstück über diesen Papisten Thomas Morus geschrieben haben. Aber es war nur ein Bastard.»
    «Ein Bastard? Was ist das, Vater?»
    Einen Augenblick lang bohrten sich ihre Blicke ineinander, dann donnerte Samuel seinen Spazierstock auf das Kopfsteinpflaster. «Nichts, nur ein wissenschaftlicher Ausdruck. Es bedeutet, dass dieses Stück nicht zum Kanon gehört.»
    William starrte vor sich hin und bemerkte dabei nicht einmal eine kleine Herde Spanferkel, die man gerade durch die Henley Street trieb. «Trotzdem klingt dieser Ausdruck interessant – ein Bastard.»
    «William, solche Begriffe werden viel zu großzügig verwendet. Literatur ist keine exakte Wissenschaft. Siehst du dort die kleinen Tiere?»
    «Also könnten sich die Gelehrten auch irren?»
    «Gelehrte grübeln viel zu sehr über die Quellen nach, über die Wurzeln. Statt sich mit den wunderbar erhabenen Versen des Barden auseinanderzusetzen, stöbern sie die Originale auf, bei denen Shakespeare vielleicht abgeschrieben hat. Das nenne ich falsche Gelehrsamkeit.»
    «Einige behaupten sogar, Shakespeare hätte alles abgeschrieben.»
    «Genau solche Mutmaßungen meine ich. So etwas ist einfach absurd. Purer Blödsinn. Er war ein göttliches Original.»
    «Heißt das, er hatte keine Wurzeln?»
    «William, könnten wir uns darauf einigen, dass Wurzeln unwichtig sind?»
    «Das höre ich gern.» Einen Moment musterte ihn sein Vater scharf. «Shakespeare steht für sich allein.»
     
     
    Samuel Ireland war immer noch in das Pergament auf dem Esstisch vertieft.
    «Vater, dieses Testament beweist, dass er kein Papist war. Kannst du die Worte entziffern?»
    «Hier steht, dass er seine Seele Jesus anvertraut.»
    «Kein Wort über Maria, keine Heiligen. Kein Hauch von Aberglaube und auch nichts Bigottes.»
    Samuel Ireland fuhr sich über die Augen. Es sollte nervös wirken. «William, besteht wirklich kein Zweifel?»
    «Schau doch nur die Unterschrift an, Vater. Sie stimmt haargenau mit der auf dem Kaufvertrag überein.»
    Rosa Ponting prüfte immer noch die Liste für den Weihnachtspunsch. «Sammy, du verschwendest nur deine Zeit. Dein Sohn will diese Sachen nicht verkaufen. Welchen Zweck haben sie dann?»
     
     
    In der nächsten Woche bat man Samuel und William Ireland an einem kalten Abend in die Bibliothek von Church House, dem Hauptsitz der Anglikanischen Kirche neben St. Mildred in der Fetter Lane. Hier wurden sie von Doktor Parr und Doktor Warburton begrüßt. Beide Herren waren gleich gekleidet: ganz in Schwarz,

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