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Wie es uns gefällt

Wie es uns gefällt

Titel: Wie es uns gefällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ackroyd
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an der Tür der Mission fand. «Gütiger Himmel, was ist denn das?» Ihre Frage hatte keinen speziellen Adressaten. Joseph kannte nur das Bajan, den kreolischen Dialekt seines Landes, und sie verstand seine Antwort nicht. «Gott segne dich für deine Heidensprache», rief sie. «Du hast eine schwarze Haut, aber deine Seele ist weiß. Ein göttlicher Plan hat dich hierher gesandt.»
    Für die unehelichen weißen Kindern des Viertels – allesamt Seemannskinder, die wie die Wilden durch die Ufergässchen und die Lagerhäuser an den Kais tobten – war die Hautfarbe des Jungen kein großes Thema. In dieser fremden Welt kam es Joseph vor, als würde das Meer London entern. Der Wind heulte wie ein Seesturm, und alle Vögel waren Seevögel. Taue, Masten, Fässer und Planken wirkten auf ihn wie ein gestrandetes Schiff.
    Doch dann brachte Hannah Carlyle Joseph irgendwann aus Wapping fort und übergab ihn ihrer Kusine, die als Haushälterin im Church House in der Fetter Lane arbeitete. Und so wuchs er in Gesellschaft von Doktor Parr und Doktor Warburton auf. Sie brachten ihm Englisch bei. Von ihnen übernahm er die leicht altmodische Sprechweise, die William Ireland so überrascht hatte. Beide Theologen legten sich abwechselnd zu ihm ins Bett. Doktor Parr lutschte Josephs Glied und masturbierte dabei, während Doktor Warburton ihn nur streichelte und sich danach seufzend in sein eigenes Zimmer zurückzog.
     
     
    «Sir, vielleicht interessiert es Sie, dass ich Shakespeare heiße. Joseph Shakespeare.»
    William konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. «Wie ist das möglich?»
    «Diesen Namen gab man unglückseligen Sklaven, Sir. Man erlaubte sich einen Scherz.»
    Doktor Parr rezitierte eine weitere Passage aus dem Testament: «Unsere armen schwachen Gedanken werden zur Vollendung erhöht, tropfen dann wie Schnee vom kahlen Geäst hernieder und schmelzen dahin, bis keine Spur mehr von ihnen kündet.» Er tupfte sich mit einem weißen Taschentuch, das hinter seiner Manschette steckte, die Lippen ab. «Diesen Satz sollte man von jeder Kanzel in England predigen.»
    William trat zu ihnen und tat so, als würde er seinen Vater nach der Uhrzeit fragen. Dabei flüsterte er ihm ins Ohr: «Dieses Dokument wird man nicht als Bastardtext einstufen.»
    «In unserer Liturgie gibt es wunderbare Stellen», merkte Warburton unterdessen an. «Und in unseren Litaneien findet man Schönheit zuhauf. Doch hier spricht ein Mensch, der uns allen überlegen ist. Aus der gesamten Komposition sprechen wahrhafte Gefühle.»
    «Ist das echter Shakespeare-Stil?», wollte William von ihm wissen.
    «Daran gibt es nichts zu rütteln. Diesen Text muss die ganze Welt kennen lernen.»
    «Ich beabsichtige, einen Essay für das Gentleman’s Magazine zu schreiben», erwiderte Samuel.
    Sein Sohn sah ihn erstaunt an.
    Es blieb noch Zeit für einen weiteren Schluck Sherry und einen zweiten Toast auf den Barden. Dann begleiteten Doktor Parr und Doktor Warburton ihre Besucher zum Eingang des Church House.
    «Es war ein Privileg», sagte Parr, «das Blatt zu berühren, auf dem Shakespeare geschrieben hat.»
    «Mr Ireland, es war uns eine Ehre.» Warburton blickte die Straße hinunter, als rechnete er jeden Moment mit einer feindlichen Invasion. «Eine erhabene Freude.»
    Beim Überqueren der Fetter Lane packte William seinen Vater am Arm. «Ich wusste gar nicht, dass du an einem Essay schreibst.»
    «Und warum nicht?»
    «Du hättest mich informieren sollen, Vater.»
    «Ein Vater soll seinen Sohn um Erlaubnis bitten? Wolltest du das damit sagen?»
    «Du hättest mich um Rat fragen sollen.»
    «Um Rat fragen? Wozu? Wie hat der gute Warburton so schön gesagt? Diese Neuigkeit muss die Welt erfahren.»
    In Wahrheit hatte William selbst einen Artikel zu diesem Thema geplant. Seit dem Tag, an dem er seinem Vater die erste Unterschrift gezeigt hatte, brannte er voller Ehrgeiz darauf, biographische Essays über Shakespeare zu verfassen. Shakespeare sollte für ihn der Schlüssel zur Verlagswelt werden.
    «Vater, vielleicht gibt es auch andere Leute, die schreiben können.»
    «Außer uns ist niemand mit diesem Thema so vertraut. Ach, damit meinst du doch wohl nicht dich selbst?»
    William errötete. «Ich habe darauf genauso ein Anrecht wie du.»
    «William, du bist ein Jungspund. Du beherrschst nicht die Kunst der Komposition.»
    «Und woher weißt du das?»
    «Sensus communis – gesunder Menschenverstand. Ich kenne dich.»
    Plötzlich wurde William sehr zornig. «So

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