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Wie es uns gefällt

Wie es uns gefällt

Titel: Wie es uns gefällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ackroyd
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einen Brief des Grafen von Southampton an Shakespeare; eine Vorladung, weil der Dramatiker sein Kirchgeld nicht bezahlt hatte; eine kurze Mitteilung von Richard Burbage über Bühnenrequisiten. Mittlerweile ähnelte die Buchhandlung tatsächlich einem Kuriositätenkabinett für Shakespeare-Liebhaber. William hatte persönlich kein Interesse, den Besucherstrom zu dirigieren beziehungsweise zu beaufsichtigen. Diese Rolle war für seinen Vater reserviert, der sich bei Jackson & Sohn in der Great Turnstile Street einen neuen, flaschengrünen Rock gekauft hatte. Rosa Ponting saß mit ihrer Stickerei neben der Ladentür, angeblich um Schirme und Mäntel zu bewachen, aber insgeheim hoffte Samuel Ireland doch, dass man sie mit einer Kassiererin verwechselte. Jedenfalls protestierte sie nicht, wenn man ihr ein Silberstück in die Hand drückte, das sie geschickt in ihrem großen Handarbeitsbeutel verschwinden ließ, der außerdem ihren Fächer, ihre Schnupftabakdose, ihre Geldbörse und ihr Taschentuch enthielt. Jeder Besucher wurde von ihr mit den gleichen Sätzen begrüßt: «Zur Linken befindet sich in einer Vitrine das Theaterstück, zusammen mit den Briefen. Daran schließt sich der Ladentisch mit den Quittungen und Rechnungen an. Bitte, nicht das Glas berühren und nicht auf den Boden spucken.»
    Sie genoss ihre Rolle. Als Kind hatte sie ihrer Mutter in einem Obststand auf dem Whitefriars Market ausgeholfen und begeistert in das Stimmengewirr eingestimmt, das die Begleitmusik zu jedem Markttag bildete. Sie hatte «Äpfel, schöne Äpfel!» gebrüllt, bis sie heiser war. Eigentlich hütete sie die Buchhandlung samt den Ausstellungsstücken wie ihren Augapfel. Sie kannte jeden Tritt auf den Holzdielen und wusste genau, wann jemand versuchte, die Treppe hinaufzusteigen, oder hinter den Ladentisch schlich. Wenn ein Besucher auch nur wagte, das Glas anzuhauchen, riss sie den Kopf herum und funkelte den Übeltäter böse an. Shakespeare an sich war ihr egal, damit konnte sie nichts anfangen. Trotzdem freute sie sich, dass William auf diese Weise unerwartet zur Mehrung des Familienvermögens beitrug.
    Und eine Familie waren sie, daran gab es für sie keinen Zweifel. In Wahrheit war sie heimlich mit Samuel Ireland verheiratet. Ein Marinepastor hatte sie in Greenwich ohne große Zeremonie getraut. Nur unter dieser Bedingung war sie in der Holborn Passage eingezogen. Williams Mutter war im Kindbett gestorben, und die Hebamme hatte den Säugling zu ihrer Schwester in Godalming gebracht. Bei dieser Familie war er bis zu seinem dritten Lebensjahr geblieben. William hatte daran keine Erinnerung mehr, und sein Vater tat nichts, um ihn darüber aufzuklären. Kurz nach seinem dritten Geburtstag hatte man ihn wieder in die Holborn Passage gebracht, wo ihn Rosa mit ausgebreiteten Armen empfangen hatte. Der kleine Junge hatte den Kopf weggedreht und geweint. Im Laden und allem, was dazugehörte, schien er sich jedoch wohlzufühlen. Wie hatte Rosa zu ihrem Mann gesagt? «Der kann mit Büchern mehr anfangen als mit Leuten.» Eigentlich fühlte sich Rosa durch Williams Verhalten verletzt und war verwirrt. Immer wenn sie versuchte, ihn liebevoll zu behandeln, stieß er sie brüsk zurück. Als er älter wurde, erkundigte sie sich, was er tagsüber alles gemacht hätte, aber er fertigte sie immer nur sehr knapp ab. Manchmal reichte es nur zu einem Nicken oder einem Kopfschütteln. Nie fing er von sich aus ein Gespräch mit ihr an, und bei den seltenen Gelegenheiten, an denen sie einmal allein waren, nahm er einfach ein Buch in die Hand oder trat ans Fenster. Und daran hatte sich im Lauf der Jahre nichts geändert.
    «Man möchte meinen», hatte sie zu Samuel Ireland einen Monat nach der Eröffnung des Shakespeare-Museums beim Frühstück gesagt, « – reich mir das Pflaumenmus –, man möchte meinen, dass er eigentlich gar nicht hier lebt.»
    «Er sehnt sich nach Unsterblichkeit, Rosa.»
    «Was heißt das, wenn es um sein Zuhause geht?»
    «Shakespeare ist ihm zu Kopf gestiegen. Jetzt wird er sich nie mehr mit etwas zufrieden geben.»
    «Sammy, rede doch vernünftig.»
    «Er glaubt nicht, dass er hierher gehört. Zu uns. Er befindet sich auf einer höheren Ebene.»
    «Vermutlich bei Mary Lamb. Weißt du, dass sie diese Woche zweimal hergekommen ist? Um Shakespeare zu sehen. Sagt sie.»
    «Rosa, sie ist eine Dame.»
    «Ich etwa nicht?»
    «Sie ist eine junge Dame.»
    «Und eine sehr unansehnliche, wenn du mich fragst.»
    «Das weiß ich, aber

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