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Wie es uns gefällt

Wie es uns gefällt

Titel: Wie es uns gefällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ackroyd
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William gehört auch nicht zu den normalen jungen Männern. Er sieht in ihre Seele.»
    «Ich wüsste gerne, welche Brille er dabei verwendet.»
    «Für ihn ist sie etwas anderes. Er betrachtet sie als seine Erlösung.»
    «Wovon?»
    «Von uns. Horch, er ist zurück.»
    Samuel hörte, wie sich unten in der Ladentür der Schlüssel im Schloss drehte.
     
     
    Während der letzten Tage hatte Samuel das Kommen und Gehen seines Sohnes mit Argusaugen beobachtet. Am Vormittag zuvor hatte er sofort nach William die Buchhandlung verlassen und gesehen, wie dieser um die Ecke der Holborn Passage bog. Rasch war er ihm gefolgt. Vermutlich war William zum Haus seiner Gönnerin unterwegs, wo die Shakespeare-Manuskripte lagerten. Samuel setzte seinen ganzen Ehrgeiz daran, die Wohltäterin seines Sohnes aufzuspüren und zur Rede zu stellen.
    William ging mit raschen Schritten schnurstracks in südliche Richtung eine der schmalen Gassen hinunter, die direkt auf die Strand führten. Er kannte den Weg zwischen Buden, Straßenhändlern und den vielen Fuhrwerken in der Nähe der Drury Lane in- und auswendig. Samuel schlängelte sich zwischen fliegenden Händlern hindurch, machte einen Bogen um Abfallberge und Misthaufen, wich Kindern aus, die auf der Straße spielten, und duckte sich unter Körben und Fässern, die in alle Richtungen transportiert wurden. Er hatte Mühe, William nicht aus den Augen zu verlieren. Schließlich sah er, wie dieser die Strand überquerte, und nutzte ein Gewirr von Kutschen aus, das die Straße blockierte, um den Abstand zwischen ihnen zu verringern. William betrat die Essex Street, die zur Themse hinabführte, bog dann aber nach links ab und war verschwunden.
    Samuel folgte ihm so schnell wie möglich. Trotz seiner Korpulenz war er flink und beweglich. Das verdankte er teilweise den vielen Tanzstunden bei einem französischen Tanzlehrer am Russell Square, der ihm Kotillon und Polonaise beigebracht hatte. William hatte bereits den ganzen Devereux Court durchmessen, als sein Vater die Ecke der Essex Street erreichte und um die Ziegelmauer spähte. Im selben Moment stieß sein Sohn das große Holzportal auf, durch das man den Middle Temple betrat. Hinter diesem Portal lag ein großer offener Innenhof. Konnte er es riskieren, von seinem Sohn gesehen zu werden? Samuel gehörte nicht zu den unscheinbaren Menschen, aber ein Umkehren kam für ihn jetzt auch nicht mehr in Frage. Möglicherweise befand sich das Versteck mit den kostbaren Shakespeare-Blättern sogar in den ehrwürdigen Hallen des Middle Temple. Samuel drückte das Portal auf und sah sich um. Sein Sohn stand neben einem Brunnen und wandte ihm den Rücken zu. Hastig suchte sich Samuel im nächsten Eingang ein sicheres Versteck. Er hörte die Wasserfontäne ins Becken plätschern und das Gurren der am Beckenrand versammelten Tauben. Es dauerte nicht lange, dann wusste er, warum William hier verweilte. Gesenkten Blicks ging eine Frau mit Schultertuch und Haube an ihm vorbei. Es war Mary Lamb. Er erkannte sie genau. Hier trafen sie sich also zum Stelldichein.
    Samuel lugte aus seinem Versteck heraus. Die beiden standen neben dem Brunnen. William deutete gerade auf die Middle Temple Hall. Hier hatte man Was ihr wollt uraufgeführt, kurz nachdem Shakespeare es verfasst hatte. Leise plaudernd spazierten William und Mary um den Brunnen herum. Samuel Ireland beschloss, sie sich selbst zu überlassen. Er hatte genug gesehen und wusste genau, dass sein Sohn nicht seine Gönnerin besuchen wollte, sondern privateren Neigungen frönte. Ein Anflug von Zartgefühl oder die Stimme des Gewissens veranlasste ihn, seine Jagd abzublasen. Er hatte nicht die Absicht, das Liebeswerben seines Sohnes mit eigenen Augen zu beobachten.
     
     
    Mary und William bogen in den Pump Court ein und blieben dort stehen, um die uralte Sonnenuhr mit dem Symbol der «alles verschlingenden Zeit» zu bewundern.
    «Meiner Überzeugung nach», sagte William, «wollte Shakespeare unter keinen Umständen seinem Vater nachschlagen. Er liebte ihn, aber trotzdem wollte er nicht so sein wie er.»
    «Selbstverständlich wollte er nicht Metzger werden.»
    «Nein, damit meine ich, dass er unter keinen Umständen scheitern wollte, auch wenn sein Vater fröhlich gescheitert war. Versagt hatte er dennoch, daran gab es nichts zu rütteln. Shakespeare hasste Schulden und das Mitleid anderer Leute.» Sie spazierten durch den Innenhof. Seitlich lag die Rundkirche der Templer. «Shakespeare besaß einen scharfen

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