Wie es uns gefällt
Fieber. Charles weiß es nicht genau.»
«Ich kenne den Grund dafür. Sie hat sich von ihrem Sturz nie erholt.» Der nächste Satz galt seinem Vater: «Sie ist ausgerutscht und versehentlich in die Themse gefallen. Ich habe dir davon erzählt.»
«Nun ja», meinte Siegfried, «damit heißt es wohl: Ade, Schnauz und Flaut.»
Am anderen Morgen begab sich William zu einer Zeit in die Laystall Street, zu der er Charles im Büro vermutete.
Tizzy öffnete. Bei seinem Anblick kicherte sie merkwürdig. «Ach, sind Sie das, Mr Ireland? Sie haben sich aber rar gemacht.»
«Ich hatte keine Ahnung von Miss Lambs Krankheit. Ich bin sofort gekommen, nachdem ich – »
«Sie ist immer noch etwas mitgenommen, aber sie ist schon wieder auf den Beinen. Bitte, warten Sie unten.»
Beim Betreten des Salons sah er Mr Lamb im Schneidersitz auf dem türkischen Teppich sitzen. «Hüte dich vor dem Wachmann», beschwor ihn der alte Mann. «Der Wachmann kommt, wenn es keiner weiß.»
«Verzeihung, Sir?»
«Es kommt nachts. Das ist das Alter.» Er versank in Schweigen.
Wenige Augenblicke später tauchte Tizzy auf. «Sie kommt sofort herunter, Mr Ireland.»
«Bitte, keine Umstände meinetwegen. Wenn sie immer noch unpässlich ist – »
«Sie braucht Abwechslung.»
Als Mary ins Zimmer trat, begriff William, dass sie sich verändert hatte. Sie wirkte viel ruhiger, als würde sie sich innerlich auf ein Ziel konzentrieren. Sie begrüßte William mit einem flüchtigen Kuss auf die Wange. Diese Geste verblüffte ihn. Tizzy hatte sich schon wieder umgedreht und nichts gesehen. Mr Lamb verschränkte die Arme und schaukelte auf dem Teppich vor und zurück.
«Ihr letzter Besuch ist lange her, William.»
«Ich hatte keine Ahnung, dass Sie indisponiert waren.»
«Indisponiert? Keineswegs, ich habe mich nur ausgeruht.»
«Natürlich.»
«Trotzdem ist es nett, dass Sie vorbeischauen. Vater und ich sprechen oft von Ihnen. Nicht wahr, Papa?» Mr Lamb sah seine Tochter furchtsam an und sagte nichts. «Sie müssen eine Tasse Tee trinken. Tizzy!» Das Dienstmädchen blieb stehen, drehte sich um und kam zurück ins Zimmer. «Bitte, Tee für unseren Gast.» Ihre Stimme klang streng und unversöhnlich. «Setzen Sie sich, William. Erzählen Sie mir etwas.»
Sie machte ihn nervös und verlegen. «Im Drury Lane laufen bereits die Proben zum Stück. Kemble spielt den Vortigern.»
«Ach ja? Das wird Charles aber freuen.» Sie wirkte zerstreut und schien kaum zu hören, was er sagte. «Ich frage mich wirklich, wo der Tee bleibt. Typisch Tizzy. Sie bringt immer alles durcheinander. Papa, ich wundere mich, wie du sie erträgst.» Mr Lamb schaukelte weiter vor und zurück. «Haben Sie gehört, dass Charles unsere Aufführung von Pyramus und Thisbe durchkreuzt hat? Das war wirklich ganz böse von ihm.»
«Ich habe Mr Drinkwater auf der Straße getroffen.»
«Tatsächlich? Sie haben Flaut getroffen? Armer Flaut, er ist völlig unmusikalisch.»
Darauf wusste William keine Antwort. «Ich werde Ihrer Familie Karten schicken.»
«Karten?»
«Für den Vortigern, Miss Lamb.»
«Ach, warum sagen Sie nicht ‹Mary› zu mir?»
Sie brach in Tränen aus.
William schaute entsetzt zu, während Tizzy wieder ins Zimmer stürzte. «Nun, Miss, es war doch nicht gut, dass Sie nicht im Bett geblieben sind, stimmt’s? Sie haben sich eine Erkältung geholt, und jetzt bezahlen Sie dafür.»
Sie bedeutete William, er solle gehen. Mit einem hilflosen Blick auf Mr Lamb, der immer noch auf dem Teppich saß, schritt er zur Tür hinaus.
11
Dann kam der Tag, an dem Vortigern Premiere hatte. Das Drury Lane war bis auf den letzten Platz gefüllt, von den Logen bis zum Parterre. Durch einen Spalt zwischen den seitlichen Kulissen und dem Theatervorhang konnte William die Gesichter seiner Bekannten erkennen. Dicht an der Bühne saßen Charles und Mary Lamb mit ihrem Vater. In der Hamlet-Loge waren Samuel Ireland, Rosa Ponting und Edmond Malone versammelt. Tom Coates und Benjamin Milton standen nebeneinander im Parterre. Dahinter konnte William Selwyn Onions und Siegfried Drinkwater ausmachen. Gerade kam Thomas de Quincey durch einen Seiteneingang herein und suchte einen Platz. Zwei Parlamentsabgeordnete mitsamt ihren Gattinnen belegten die Macbeth-Loge, während die Othello-Loge der Großfamilie Kemble vorbehalten war. In der Lear-Loge saß der Earl von Kilmartin mit seiner Mätresse. Offensichtlich hatte sich ganz London eingefunden.
William brachte es
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