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Wie es uns gefällt

Wie es uns gefällt

Titel: Wie es uns gefällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ackroyd
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Maskenbildner und Kulissenmaler die Bühne räumten. William begab sich hinter die Kulissen, wo sich schon die Krieger versammelt hatten. Diese Leute nannte man im Theaterjargon auch «stumme Läufer», weil sie keinen Text zu sprechen hatten. Unter den Statisten wurde rege, wenn auch gedämpft, geflüstert und getuschelt.
    Als die ersten Töne hereindrangen, wurde es still. Das Orchester spielte zum Auftakt die eigens vom Dirigenten Crispin Bank komponierte Ouvertüre. Sie trug den Titel «Vortigerns Traum». Charles Kemble näherte sich im Kostüm den abgedunkelten Seitenkulissen. Zu einem karierten Kilt trug er einen bronzenen Brustpanzer und einen silbrigen Helm mit rosa und blauen Federn. Er warf William einen flüchtigen Blick zu, schien ihn aber gar nicht wahrzunehmen, so vertieft war er in seine Rolle. Er räusperte sich und blickte zum Schnürboden hinauf. Auf der anderen Bühnenseite wurde Mrs Siddons eingecremt und gepudert. Die Ouvertüre war zu Ende. Im Publikum wurde es still. William zog sich noch weiter nach hinten zurück, zwischen unbenutzte Hocker und Requisiten. Die Stille war für ihn unerträglich.
    Quietschend ging der Theatervorhang unter lautem Jubel und Hurrageschrei hoch. William war völlig verblüfft. Das Publikum feierte das Bühnenbild. Nach wenigen Augenblicken vernahm er ganz deutlich Vortigerns Stimme, der seine Tochter schalt, weil sie sich heimlich mit dem römischen Feldherrn Constantius verlobt hatte. In wallenden Gewändern, die keiner konkreten Periode zuzuordnen waren, bezog Mrs Siddons mitten auf der Bühne ihre Position und pries mit ausgestreckten Armen – Kemble verschwand dahinter aus dem Blickfeld des Publikums – die Vorzüge ihres Geliebten:
     
    «Bei seinem Anblick löst die finst’re Braue sich,
    Und heiter wird sogar die tief umwölkte Stirn.
    Der Sonne gleich, die strahlend steigt im Osten auf,
    Vertreibet er die Nacht. Doch warum flehe ich?»
     
    William registrierte eine gewisse Zustimmung vonseiten der Zuschauer, die zufrieden, ja fast überrascht auf die hohe Qualität der Verse reagierten. Man konnte die Stimmung förmlich greifen. Gegen Ende des ersten Akts stimmte Mrs Siddons ein Lied an:
     
    «Pfingsten war’s, im letzten Jahr,
    da ging es mit Rosen zum Tanz.
    Und auch aus Veilchen ein Kranz
    Schmückte mein goldenes Haar.»
     
    Als bei der letzten Zeile Lachen aus dem Parterre ertönte, sang sie mit klarer fester Stimme weiter. Erst bei ihrem Abgang am Ende des Akts sah William, dass sie in Tränen aufgelöst war. Sie warf sich in die Arme ihrer Garderobiere, einer ältlichen Frau, die alle nur unter dem Namen «Crump» kannten, und ließ sich von ihr in die Garderobe bringen.
    Zu Beginn des zweiten Akts war die Stimmung im Publikum gekippt. Vortigern stand auf der Bühne, um seine Truppen zum Kampf gegen die Römer zu mobilisieren. Gegen Ende seiner langen Ansprache evozierte er ein grimmiges Bild des Todes, um seine versammelten Soldaten anzuheizen:
     
    «Weit klafft es auf dein grässlich’ Maul,
    Hohnlachend schlägst die dürren Finger du
    In ihre Flanken und lässt sie zappeln.
    Und wenn der düst’re Mummenschanz vorbei – »
     
    Kaum war diese Zeile verklungen, ertönte aus dem Parterre höhnische Gejaule. Diese einzelne Missfallenskundgebung wirkte ansteckend. Kemble versuchte es erneut. Jetzt schüttelte sich das ganze Publikum vor Lachen. Nach zwei, drei Minuten setzte Kemble noch einmal an:
     
    «Und wenn der düst’re Mummenschanz vorbei,
    werden wir – »
     
    Die Zuschauer waren außer Rand und Band. Zu Williams Verblüffung dauerte der allgemeine hysterische Anfall mehrere Minuten lang. Er hörte ein dumpfes Geräusch. Flog da etwa Obst auf die Bühne? William hatte richtig vermutet.
    Jetzt wurde William ganz ruhig, ja fast gleichgültig. Er konzentrierte sich einzig und allein auf seine Handfläche und überlegte, ob seine Lebenslinie eine kleine Unterbrechung oder Verästelung aufwies.
    Mühsam kämpften sich die Schauspieler durch den Rest des zweiten Akts. Immer wieder flammten Gelächter und höhnische Buhrufe auf. Mrs Jordan stolzierte in bester klassischer Manier über die Bühne, bei der auf einen großen Schritt ein kurzer folgte. Sie wedelte geheimnisvoll vor ihrem Gesicht herum, als würde sie durch einen Schleier ein weit entferntes Objekt betrachten. Sofort schaltete sich ein Zuschauer mit dem Zwischenruf «Da drüben steht er!» ein. Wie es sich für eine römische Matrone gehörte, hatte sie auf einem weißen

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