Wie Fackeln im Sturm
willst.“
Willa hielt inne. Sie sah in sein strenges Gesicht und wusste, dass er in diesem Punkt nicht mit sich reden lassen würde. Daher glaubte sie, nur zwei Möglichkeiten zu haben: Entweder erleichterte sie sich inmitten der ungleichen Gesangsgruppe, oder sie hielt es zurück, bis sie am Königshof eintrafen. Allerdings war der Hof noch zwei Tagesritte entfernt. So lange konnte wohl niemand warten, wenn es sich um ein menschliches Bedürfnis handelte. Widerwillig machte Willa kehrt und ging in der Mitte des streng bewachten Waldstücks in die Hocke. Noch einmal blickte sie mit grimmiger Miene auf die Rücken der Männer und zurück zu Hugh, der ihr aufmunternd zunickte. In ihrer Wut schwor sie, dass jemand für diese Schmach bezahlen würde.
Während der furchtbare Missklang durch den Wald tönte, machte Willa sich ans Werk und wäre am liebsten im Erdboden versunken.
20. KAPITEL
Willa durchmaß den Raum und trat in ihrer Wut gegen das Bett. Dann machte sie kehrt und versetzte einem der beiden Stühle vor dem Kamin einen heftigen Tritt, bevor sie sich wieder das Bett vornahm.
Früh am Morgen hatten sie den königlichen Hof erreicht; nachdem der Tross für einen Zweitagesritt vier Tage unterwegs gewesen war. Übellaunig murmelte Willa etwas vor sich hin und trat nun wiederholt gegen das Bett. Es war so gekommen, wie sie es befürchtet hatte: Hughs Auffassung von vorsichtigem Verhalten stimmte ganz und gar nicht mit ihrer überein. Der unangenehme Vorfall im Wald war leider kein Einzelfall geblieben, und so hatte sie sich während der letzten Reisetage immer und immer wieder in Gegenwart der falsch singenden Wachen am Wegesrand erleichtern müssen. Zu guter Letzt hatte Hugh noch darauf bestanden, sehr viel langsamer zu reiten, damit „die Kleinen nicht gestört werden“. Somit hatte Willa den Rest der Reise auf der Ladefläche eines Karrens verbringen müssen, da ihr Herr und Gemahl davon überzeugt war, dass „das Reiten nicht gut für die Kleinen“ wäre. Außerdem hatte er ihr auch in die Mahlzeiten hineingeredet und darauf bestanden, sie müsse viel essen, damit „die Kleinen besser in ihrem Leib wachsen“. Viel schlimmer war indes noch, dass Hugh sich wie eine besorgte Mutter bei einem kranken Kind immerzu in ihrer Nähe aufhielt – Willa hätte sich am liebsten die Haare gerauft.
Nein, als sie beim Auf- und Abgehen wieder das Bett erreichte, erschien ihr die Tatsache am schlimmsten, dass ihr Gemahl für sich beschlossen hatte, ihr nicht mehr in körperlicher Weise nahe zu kommen, aus Angst „die Kleinen in ihrer Ruhe zu stören“. Fürwahr. Seine Nähe vermisste sie am meisten. Wenn mein Mann mir schon nicht sagen kann, dass er mich liebt, so könnte er zumindest bei mir liegen, dachte sie.
Als sie diesmal zum Kamin zurückkehrte, ließ sie ihre Wut nicht mehr länger an den Stühlen aus, sondern nahm unglücklich auf einem Platz. Sie waren kaum eine Stunde am Königshof, und schon hatte man Hugh aufgefordert, dem Herrscher seine Aufwartung zu machen. Willa nahm an, dass er King John in diesem Moment das Schreiben von Papa Richard zeigte und ihm erzählte, ihr Vater Tristan trachte ihr nach dem Leben.
Unzufrieden starrte Willa in die Flammen im Kamin. Hugh war zu dem Schluss gekommen, dass seine Gemahlin sich nur deshalb über seine Vorsichtsmaßnahmen beklagte, weil sie guter Hoffnung war. Diese Auffassung machte es ihm leicht, ihre Beschwerden geflissentlich zu übergehen, und allein dafür hätte Willa ihn am liebsten erdrosselt.
Warum hatte er ihr nicht seine Liebe gestanden? Als Willa ihre Gefühle zum Ausdruck gebracht hatte, hatte sie nicht erwartet, dass ihr Gemahl ihr umgehend seine Liebe gestehen würde, aber insgeheim fand sie, es wäre höflich von ihm gewesen, sich zu seiner Liebe zu bekennen. Es wäre einfach schön gewesen. Immerhin trug sie seine Kinder unter dem Herzen. Sie war seine Gemahlin. Eada hatte gesagt, dass er sie lieben würde, und sie wollte, dass er sie liebte. Warum liebte er sie dann nicht?
Sie wurde jäh aus ihren Gedanken gerissen, als die Tür aufging und eine junge Zofe den Raum betrat. Willa beäugte sie missmutig. Nach vier langen Tagen ohne Ruhe wäre sie nach der Ankunft am Königshof am liebsten allein gewesen. Nachdem Hugh sich aufgemacht hatte, den König zu sprechen, hatte Willa Eada geradezu nötigen müssen, den örtlichen Markt zu besuchen, um nach Dingen Ausschau zu halten, die man nicht ohne Weiteres in Hillcrest bekam.
„Man schickt
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