Wie Feuer im Regen
chronischen Geldmangels schweren Herzens an den Inner Circle verkauft hatte. Jamie hatte das Potenzial des Geländes erkannt und neben einem Hubschrauberlandeplatz, diversen Tennisplätzen, einer Schießanlage, einem Neun-Loch-Golfplatz und mehren Swimmingpools eben auch einen Poloplatz anlegen lassen.
Im Herrenhaus selbst befanden sich alle Annehmlichkeiten, die jeden englischen Countryclub vor Neid erblassen lassen würden, unter anderem der zu einer großen Lounge umgebaute Wintergarten mit anschließender Bar und Kaminzimmer.
Die innen liegenden Räume waren größtenteils mit antiken Möbeln ausgestattet, aber der Wintergarten wirkte wie die Lobby eines modernen Nobelhotels.
Neben üppigen Grünpflanzen und meterhohen Palmen gruppierten sich bequeme Loungemöbel zu kleinen Oasen, auf denen bereits zahlreiche Gäste saßen.
Gutaussehendes Personal servierte Cocktails und noch mehr Champagner und ein riesiges Buffet verführte Gäste und Polospieler zum Schlemmen.
Anne war überwältigt. Sie ließ sich von Cheryl den Weg zur Toilette beschreiben und entschuldigte sich kurz. Dort hoffte sie, ein paar Momente lang allein sein zu können, um die vielen neuen Eindrücke zu verarbeiten. Anscheinend war die Welt des „Inner Circle“ tatsächlich ein Mikrokosmos der Schönen und Reichen – das war ihr bisher nicht bewusst gewesen. Sicher hatte sie davon gehört, sich das Ganze aber mehr als Facebook für die besonders Wichtigen vorgestellt. Doch wie es aussah, hatte der virtuelle Internetclub auch eine ganz reale Seite.
Die Geschäftsfrau in ihr dachte daran, wie viele neue Möglichkeiten sich ergeben würden, sollte sie es irgendwie in den „Inner Circle“ schaffen.
Doch einen Augenblick später verwarf sie den Gedanken wieder. Wie berechnend, so etwas in Erwägung zu ziehen. Marc hatte sie privat eingeladen, weil er offenbar Zeit mit ihr verbringen wollte. Sie würde nicht weiter an die Arbeit denken, sondern einfach nur diesen Tag mit ihm genießen.
Auf der Toilette wusch sie sich die Hände und warf einen kritischen Blick in den Spiegel. `Entspann dich!´, dachte sie, `Es gibt nichts an dir, was nicht in dieses Ambiente passt.`
Ihr honigfarbenes Haar war professionell geföhnt und sah trotz des feuchten Wetters toll aus. Das cremefarbene italienische Designerkleid war aus der aktuellen Kollektion, weder zu kurz noch zu ausgeschnitten und das dezente Make-Up unterstrich ihre leichte Bräune. Alles perfekt.
„Niemand kann in dich hineinsehen, dumme Kuh, also sei etwas lockerer!“, flüsterte sie ihrem Spiegelbild zu, bevor sie sich auf den Rückweg in den Wintergarten machte.
Irgendwo im Gewirr der Gänge musste sie jedoch falsch abgebogen sein, denn anstatt zur Gesellschaft zu finden, stand sie plötzlich vor einer geschlossenen Tür am Ende eines menschenleeren Ganges.
Kurz überlegte sie, ob sie den ganzen Weg zurück laufen sollte, entschied sich aber dann dafür nachzusehen, was dahinter lag. Vielleicht war es eine Abkürzung ins Treppenhaus?
Sie trat durch die Tür und befand sich im dunklen Zuschauerraum eines Theaters.
Ringsum wie kleine Waben liefen zwei Reihen von Logen und die Ränge aus dunkelrot gepolsterten Samtsesseln fielen ab bis zu einer Bühne auf der ein Flügel stand.
Sogar aus der Ferne konnte Anne erkennen, dass es sich um einen Steinway Konzertflügel handelte, denn er wurde von einem Scheinwerfer an der Decke direkt angestrahlt.
Das Ganze wirkte unwirklich, wie eine Szene aus einem Traum.
Welches Haus verfügte schon über einen eigenen Konzertsaal und dann, als ob das nicht schon phantastisch genug wäre, auch noch über den wundervollsten Flügel, den man sich nur vorstellen konnte?
Es wäre ihr unmöglich gewesen, ihn nicht aus der Nähe zu betrachten.
Lautlos stieg sie die mit dickem rotem Teppich bespannte Treppe neben den Sitzreihen hinab und dann die wenigen Stufen auf der linken Bühnenseite wieder hinauf.
Sie würde ihn sich nur kurz ansehen und dann sofort zur Gesellschaft zurückkehren.
Auf dem tiefschwarzen Lack lag kein einziges Staubkörnchen, die Oberfläche sah beinahe flüssig aus und Anne konnte nicht anders, als vorsichtig mit ihren Fingerspitzen über die Kurve des geschlossenen Tastaturdeckels zu streicheln.
Im Nachhinein erschien es ihr selbstverständlich, dass sie sich schließlich auf die hart gepolsterte Klavierbank setzte, den Deckel vorsichtig anhob und spielte.
Nur ein einziges Stück. Niemand würde es bemerken. Wer weiß, ob sie
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