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Wie Feuer im Regen

Wie Feuer im Regen

Titel: Wie Feuer im Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Oliver
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jemals wieder die Gelegenheit haben würde, auf einem derartigen Instrument zu spielen.
    Anne entschied sich für Tante Marthas Lieblingsstück, Debussys Reverie.
    Die Töne, die der Flügel für Anne erschuf waren weich und warm. Sie schloss die Augen und dachte an Tante Martha, wie sie in ihrem alten Lehnsessel saß, das Strickzeug in der Hand und Annes Klavierspiel lauschte. Beinahe konnte sie die Palatschinken riechen, die es jeden Freitag gegeben hatte und die Kernseife neben der Spüle.
    Ohne Tante Martha wäre sie heute nicht hier. Alles, was sie war, was sie erreicht hatte, hatte sie der Liebe der alten Frau zu verdanken.
    Seit Anne angefangen hatte zu arbeiten, hatte sie Martha Sedlek jeden Monat einen Brief geschrieben, mit etwas Geld darin.
    Vor einigen Wochen war ihr letzter Brief ungeöffnet zurückgekommen, mit dem Vermerk ‚nicht zustellbar‘. Über viele Umwege erfuhr sie, dass Tante Martha verstorben war.
    Obwohl sie sich viele Jahre nicht gesehen hatten, fühlte Anne sich entsetzlich leer. Der einzige Mensch auf der Welt, der sich jemals um sie gekümmert hatte, war nun nicht mehr. Ab jetzt war sie wirklich ganz allein.
    Eine Träne lief über ihre Wange und tropfte auf das cremefarbene Seidenkleid, wo sie einen kleinen nassen Fleck hinterließ.
    Aber das bemerkte sie nicht. Sie spielte einfach weiter und als das Stück zu Ende war, hatte die Musik Annes Tränen getrocknet und sie war wieder in England, in einem vornehmen Herrenhaus und freute sich darauf, den Nachmittag mit Marc zu verbringen.

    In der Loge, die der Bühne am nächsten war, saß Jamie unsichtbar im Dunkel und grübelte.
    Die Veranstaltung war trotz des Regens ein voller Erfolg. Besonders deshalb, weil sie das Match gewonnen hatten. Eigentlich hätten sie abbrechen müssen. Der schlammige Boden bot kaum Halt für die Hufe der Pferde, die Reiter waren von oben bis unten durchnässt, aber ein Sommerregen hatte noch niemandem geschadet. Es war ein herrliches Spiel gewesen!
    Er war als einer der ersten vom Feld gegangen und hatte beschlossen, sich nach einer heißen Dusche ein paar Momente der Einsamkeit zu gönnen, bevor er in den Trubel der champagnerseeligen Gesellschaft eintauchen würde.
    Die Loge war sein bevorzugter Platz dafür. Vor allem, weil niemand ihn dort vermutete. Außerdem mochte er die Atmosphäre im leeren Theater. Wenn nicht gerade Konzerte oder Aufführungen dort stattfanden, hatte er es ganz für sich alleine und konnte seinen Gedanken nachhängen.
    Diese wurden seit einigen Tagen von Anne Catherine Marsden beherrscht. Seit er sie bei Bernardo gesehen hatte, konnte er an nichts anderes mehr denken. Leider schien Marc Harper sie völlig mit Beschlag zu belegen – er benahm sich geradezu lächerlich. Erst war er zu spät zum Training erschienen, dann hatte er damit angegeben, dass er sie am nächsten Abend schon wiedersehen würde und gestern hatte er ihn im Büro angerufen, um sie auf die Gästeliste setzen zu lassen. Wie ein verliebter Schuljunge!
    Überrascht sah er, wie sich plötzlich die Seitentüre oben neben den Rängen öffnete und kurz ein gelber Lichtkegel hereinfiel, bevor die Türe wieder geschlossen wurde.
    Er erkannte sie sofort. Das helle Kleid war ihm schon auf dem Poloplatz aufgefallen, als ein Windstoß es an ihren Körper gepresst hatte. Was wollte sie nur hier?
    Wahrscheinlich hatte sie sich verlaufen.
    Gerade wollte er sich zu erkennen geben, als sie die Stufen hinunter und auf die Bühne huschte und sich an den Flügel setzte.
    Vorsichtshalber sank er noch etwas tiefer zurück in den Schatten, damit sie ihn auf keinen Fall bemerkte.
    Was er dann sah und hörte, berührte ihn auf eine Art und Weise, wie noch nichts zuvor.
    Ihre Finger strichen mit einer Sanftheit über den Klavierlack, die wie eine Liebkosung wirkte.
    Und dann begann sie zu spielen.
    Er kannte das Stück - aber nicht so, wie sie es spielte. Es fühlte sich an, als würde die Musik ihn einhüllen.
    Als sie die Augen schloss, geschah etwas mit ihrem Gesicht. Sie sah mit einem Mal friedlich aus, aber auch verletzlich und sehr jung. Sogar als eine Träne über ihre Wange lief, lächelte sie. Er fühlte sich ihr unglaublich nahe.
    Nachdem die letzte Note verklungen war, kehrte Stille in den leeren Raum zurück.
    Jene Stille, nach der er vorhin gesucht hatte, schien ihm nun viel zu leer und er wünschte, sie würde weiterspielen.
    Aber ganz vorsichtig klappte sie den Tastaturdeckel wieder zu, schenkte dem Flügel einen letzten,

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