Wie Feuer im Regen
gar an ihm als Mensch – doch bei Anne hatte er ein anderes Gefühl.
Sie war nicht nur wunderschön und intelligent, sie schien über ihre geschäftlichen Ambitionen hinaus auch wirklich zu ihm hingezogen zu sein.
Jedoch schreckte er davor zurück, sich rein auf sein Bauchgefühl zu verlassen. Zu oft hatte sich eine anfangs ansprechende Bekanntschaft als Goldgräberin herausgestellt. Und was noch verwirrender war - noch hatte sich eine so auffällig schöne Frau für ihn interessiert. Sie verkörperte alles, was er sich wünschte. Ihr langes Haar glänzte in der gedämpften, indirekten Beleuchtung und er hätte es sehr gerne angefasst, oder wenigstens daran gerochen. Am meisten faszinierten ihn ihre Lippen. Sie waren voll und perfekt geschwungen. Während sie sprach, musste er ihr ständig auf den Mund starren.
„ Seit wann lebst du in London?“, fragte sie jetzt.
„ Eine gefühlte Ewigkeit lang. Aber irgendwann werde ich zurück nach Sidney gehen.“
„ Wirklich?“
„ Ja, ich habe es meinem Vater versprochen und wenn die Zeit gekommen ist, werde ich London auch gerne verlassen.“
„ Ich hatte den Eindruck, dir gefällt es hier?“
„ Das stimmt. Aber ich bin Australier. Meine Wurzeln liegen in einer anderen Welt. Auch wenn ihr Briten immer denkt, England sei der Nabel der Welt und die ehemaligen Kolonien eigentlich noch Entwicklungsländer – so ist es nicht. Ich liebe London und werde sicherlich noch eine Weile hier sein, aber Australien ist letzten Endes meine Heimat.“
Anne nickte nachdenklich. „Ich verstehe dich.“
„Wirklich?“
„ Ja. Ich wurde in Österreich geboren, ich bin keine Engländerin.“ Erstaunlicherweise machte es ihr nichts aus, ihm ihr kleines Geheimnis anzuvertrauen.
„ Tatsächlich? Das hätte ich nicht gedacht. Du hast dich perfekt angepasst.“
„ Nur so funktioniert es hier. Doch wem sage ich das - dein Akzent hat auch nichts Australisches mehr.“
Er lachte, „Oh doch! Wenn ich betrunken bin oder von daheim spreche, dann bricht er wieder durch, der Ozzie!“
„Dann erzähl mir etwas von deiner Heimat. Ich war noch nie dort, am anderen Ende der Welt. Australien scheint unendlich weit weg zu sein. Wie ist es da? Und weshalb bist du hierhergekommen?“
Beinahe war er selbst über sich erstaunt, wie leicht es ihm fiel, ihr von zuhause zu erzählen. Sogar seine Familie und die Tragödie um seine Mutter sprach er kurz an. Es war ihm klar, dass sein Interesse an Anne weit über eine geschäftliche Verbindung hinausging. Die Vertrautheit, die sich in nur zwei Begegnungen zwischen ihnen eingestellt hatte, gefiel ihm und machte ihm zugleich etwas Angst – vor seiner eigenen Entschlossenheit. Er wollte sie unbedingt.
Aber er würde alles langsam angehen, beschloss er, es richtig machen. Sie hatten schließlich Zeit.
Der Abend war traumhaft und verging wie im Flug. Innerhalb kürzester Zeit hatte er ihr so viel über sich erzählt, wie noch niemandem zuvor. Auch sie gab das ein oder andere von sich preis, wenn er auch spürte, dass ihr das widerstrebte. Trotz ihres selbstbewussten Auftretens schien sie schüchtern zu sein. Ein Umstand, der sie für ihn noch anziehender machte.
Als sie sich verabschiedeten, fragte er sie, ob sie am Samstag zu seinem Polospiel kommen würde.
„ Ich weiß nicht“, sie wirkte ein wenig unsicher. „Das ist doch nur für die Mitglieder deines Clubs.“
„ Mach dir darüber keine Gedanken. Es gibt eine kleine Gästeliste für Geschäftspartner oder potentielle Neuaufnahmen. Ich werde veranlassen, dass dein Name darauf steht. Wenn irgendjemand Fragen stellt, kannst du sagen, ich hätte dich eingeladen, weil wir Geschäftliches zu besprechen haben.“
„ Das stimmt ja auch.“
Marc sah ihr in die Augen, „Aber nicht am Samstag. Diese Einladung ist rein privat. Wirst du kommen?“
„Sehr gerne.“
Er lächelte, „Das freut mich.“
***
Das schöne Wetter hielt sich für englische Verhältnisse erstaunlich lange. Erst am Samstag, pünktlich zum Beginn des Polospiels, verwandelte sich der blaue Himmel in ein schmutziges Grau und es setzte Nieselregen ein.
Lediglich die Gäste aus Frankreich fingen an zu lamentieren und verfielen in leichte Panik. Die einheimischen Zuschauer zogen sich mit gewohnt britischem Gleichmut nur deshalb weiter unter die schützenden Zeltpavillions am Rande des Spielfelds zurück, damit der Regen nicht ihren Champagner verwässerte.
Anne war das erste Mal bei einer derartigen Veranstaltung.
Sie
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