Wie funktioniert die Welt?
erforscht – dies hielt man für sehr schwierig. Wenn Psychotherapie und Psychoanalyse Erfolg hatten, konnten die Betroffenen anschließend ein wenig besser arbeiten und ein wenig besser lieben – aber solche Dimensionen zu messen, galt ebenfalls als schwierig.
Das alles änderte sich in den 1960 er Jahren, als Aaron Beck mehrere naheliegende, aber auch elegante und schöne Neuerungen einführte.
Erstens benannte er Instrumente zur Messung geistiger Krankheiten. Vor seinen Arbeiten wurde die psychiatrische Forschung durch eine Fülle von Methoden behindert, mit denen die verschiedenen Krankheiten erfasst und ihre Schwere gemessen wurden. Beck entwickelte eine Reihe von Instrumenten, angefangen beim Depressionsinventar, der Hopelessness-Skala und der Suizidabsicht-Skala. Sie trugen dazu bei, die psychopathologische Forschung objektiver zu gestalten und die Ergebnisse klinischer Studien besser quantitativ zu erfassen.
Zweitens führte Beck eine neue kurzfristige, evidenzbasierte Therapie ein, die er als kognitive Verhaltenstherapie bezeichnete.
Drittens brachte Beck die Therapieverfahren in Handbuchform; er schrieb ein »Kochbuch«, mit dem man die Methode anderen zuverlässig beibringen konnte. Im Prinzip konnte nun jeder die kognitive Verhaltenstherapie erlernen.
Viertens unternahm er mit Hilfe mehrerer Kollegen nach und nach immer besser kontrollierte Studien, mit denen gezeigt wurde, dass die kognitive Verhaltenstherapie wirksamer ist als ein Placebo und dass sie bei milder und mäßiger Depression ebenso wirksam ist wie Antidepressiva. Bei schweren Depressionen hilft sie nicht so gut wie Medikamente, wirkt aber mit ihnen zusammen und erleichtert so die Genesung.
Becks Arbeiten wurden von Helen Mayberg aufgegriffen, auch sie für mich eine Heldin der Psychiatrie. Sie untersuchte depressive Patienten mit dem f MRI -Verfahren und entdeckte, dass das Brodmann-Areal 25 bei Depressionen ein Schwerpunkt der anormalen Aktivität ist. Ihr nächster Befund lautete: Wenn – und nur wenn – ein Patient auf die kognitive Verhaltenstherapie oder auf Antidepressiva aus der Wirkstoffklasse der SSRI s (selektive Serotonin-Aufnahmehemmer) anspricht, kehrt die anormale Aktivität in den Normalzustand zurück.
Im Zusammenhang mit dieser Aufzählung finde ich die
Edge
-Frage interessant: Welche elegante, tiefgreifende Erklärung lieferte Aaron Beck mit seiner Arbeit? Wie hob er sich damit von dem Rest meiner Psychotherapeutengeneration ab, und wie konnte er einen so originellen Beitrag leisten?
Beck hatte in Philadelphia eine Ausbildung als Psychoanalytiker gemacht, aber schon bald imponierte ihm der radikale Gedanke, dass im Mittelpunkt vieler psychiatrischer Störungen keine unbewussten Konflikte stehen, sondern verzerrte Denkmuster. Diese neue Idee kam ihm, als er mit kritischem – und aufgeschlossenem – Geist seinen Depressionspatienten zuhörte. Mit seinen ersten Untersuchungen zur Depression wollte Beck eine ganz bestimmte Idee aus der Psychoanalyse überprüfen: dass Depression nämlich auf »introjizierten Ärger« zurückzuführen ist. Patienten mit Depressionen, so die Argumentation, hegten eine tiefe Feindseligkeit und Verärgerung gegenüber einem geliebten Menschen. Sie können nicht damit umgehen, dass sie feindselige Gefühle gegenüber jemandem haben, den sie hochschätzen; deshalb unterdrücken sie die Verärgerung und richten sie nach innen gegen sich selbst. Zur Überprüfung dieser Vorstellung schlug Beck den Königsweg zum Unbewussten ein: Er verglich die Träume von Depressionspatienten mit denen anderer Patienten; wie er dabei feststellte, zeigen depressive Patienten, wenn überhaupt, weniger Feinseligkeit als solche, die nicht an Depressionen leiden. Stattdessen findet man in den Träumen depressiver Patienten wie im Wachzustand eine systematische negative Voreingenommenheit der Kognition sowie der Gedanken über sich selbst und ihre Zukunft. Sie halten sich selbst für »Verlierertypen«.
Beck hielt diese verzerrten Denkmuster nicht einfach nur für ein Symptom – für das Spiegelbild eines Konflikts tief im Inneren der Psyche –, sondern für den entscheidenden Einfluss, der die Störung aufrechterhält. Dies veranlasste ihn zur Entwicklung einer systematischen psychologischen Behandlung für Depressionen, die sich auf das verzerrte Denken konzentrierte. Stärkt man die Objektivität der Patienten hinsichtlich ihrer falschen Interpretation von Situationen oder ihrer kognitiven
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