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Wie funktioniert die Welt?

Wie funktioniert die Welt?

Titel: Wie funktioniert die Welt? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brockman , Herausgegeben von John Brockman
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die Erde um die Sonne kreist.
    Wie wir heute wissen, wurde die Vorstellung von der Zeitentiefe geboren oder zumindest zum ersten Mal bestätigt, weil John Playfair, ein Professor der Universität Edinburgh, 1788 seine Reaktion darauf festhielt. Er schrieb: »Der Geist schien schwindelig zu werden beim Blick in einen so tiefen Abgrund der Zeit.« [41] Er war mit seinem Freund, dem Geologen James Hutton, der seine Gedanken später in einem Buch mit dem Titel
Theory of the Earth
zusammenfasste, an die schottische Küste gereist. Hutton zeigte ihm im Gestein eine Reihe charakteristischer Muster, die man am einfachsten mit der Annahme erklären konnte, dass das heutige Land im Meer abgelagert worden war, um dann in die Höhe gedrückt zu werden, sich zu verformen und zu erodieren, bevor es wiederum von neuen Sedimenten des Meeresbodens bedeckt wurde. Die Erde war nicht 6000 Jahre alt, wie die damals allgemein anerkannten biblischen Berechnungen verkündeten; die Schichten waren auch nicht bei einer riesigen Überschwemmung abgelagert worden, wie die herrschenden wissenschaftlichen Ansichten auf Grundlage der besten chemischen Erkenntnisse jener Zeit besagten.
    Die Welt so zu sehen wie Hutton bedeutete eine gewaltige Umwälzung. Die riesige Größe des Raumes einzuschätzen ist einfach. Wenn wir zu den Sternen aufblicken, ist die ungeheure Weite des Universums leicht zu erkennen und ehrfurchtgebietend. Die ungeheuere Länge der Zeit liegt nicht im Erfahrungsbereich der Menschen. Nach den Maßstäben der Menschen beobachtet, durchläuft die Natur nur den sich wiederholenden Kreislauf der Jahreszeiten, der gelegentlich von katastrophalen Erdbeben, Vulkanausbrüchen und Überschwemmungen unterbrochen wird. Aus diesen Gründen erschienen kreationistische Vorstellungen und Katastrophentheorien über den Ursprung der Erde plausibler als solche, die einen langsamen, allmählichen Ablauf postulierten. Aber Hutton hatte Vertrauen in das, was er im Gestein sah, und ermahnte andere, sie sollten »das Buch der Natur aufschlagen und ihre Aufzeichnungen lesen«.
    Seine Gedanken über die Zeit schufen einen fruchtbaren Nährboden für andere großartige Theorien. Wenn gewaltige Zeiträume zur Verfügung standen, konnten unmerklich langsame Prozesse die Natur formen. Auf Hutton folgten die moderne Geologie, dann die Evolutionstheorie, mit der man erklären konnte, wie neue Arten langsam entstehen, und schließlich eine Theorie der allmählichen Bewegung der Kontinente. Sie alle hatten ihre Grundlage in der Vorstellung über die Zeitentiefe.
    Huttons Ansichten waren auch für die religiöse Lehrmeinung eine gewaltige Herausforderung. Als er am Ende seines Buches schrieb, dass wir »keinen Überrest eines Anfangs finden – und keine Aussicht auf ein Ende«, stellte er sowohl die Vorstellung von einer Schöpfung als auch die von einem Jüngsten Gericht in Frage.
    Die Schönheit seiner Gedanken wirkt auch heute noch. Wenn wir in den Abgrund der Zeit blicken, wird uns vielleicht nicht schwindlig, aber wir spüren, wie bedeutungslos wir in der 4 , 6  Milliarden Jahre langen Geschichte der Erde sind und wie bedeutsam in diesem gewaltigen Zeitraum der kurze Augenblick ist, in dem wir leben.

Eric R. Kandel
Wie man die Psychotherapie auf eine wissenschaftliche Grundlage stellt: Fünf einfache Lektionen
    Universitätsprofessor und Kavli Professor of Brain Science, Columbia University; Autor von Das Zeitalter der Erkenntnis: Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute
    Wie konnte die Psychoanalyse, die früher eine wichtige Methode zur Behandlung nichtpsychotischer geistiger Störungen war, sowohl in der Medizinergemeinde der Vereinigten Staaten als auch in der Öffentlichkeit insgesamt so stark in Misskredit geraten? Wie kann man den Trend umkehren? Diese Frage möchte ich behandeln und in eine gewisse historische Perspektive stellen.
    Als Studienanfänger am Harvard College hatte ich einen Hang zur Psychiatrie und insbesondere zur Psychoanalyse. Zur Zeit meiner Ausbildung in den Jahren 1960 bis 1965 war Psychotherapie die wichtigste Methode zur Behandlung geistiger Störungen; sie leitete sich aus der Psychoanalyse ab und gründete sich auf die Überzeugung, dass man geistige Krankheitssymptome unter dem Gesichtspunkt ihrer historischen Wurzeln in der Kindheit verstehen muss. Eine solche Therapie dauerte in der Regel Jahre, und weder die Ergebnisse noch die Mechanismen wurden systematisch

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