Wie funktioniert die Welt?
des Videobandes zu verbergen, bedient sich das Bewusstsein des viel klügeren Tricks, die Löschung zu vernebeln. Zu diesem Zweck fälscht es den zeitlichen Ablauf und datiert die notwendigen Augenblicke zurück, so dass sich keine Lücke mehr zeigt.
Diese durch Vermutungen und Extrapolation erzeugte Illusion einer visuellen Kontinuität offenbart eine angeborene Schwäche in der Software des Gehirns, die ein guter Hacker ausnutzen kann. Illusionisten, Kartentrick-Betrüger, Hütchenspieler verdienen sich mit dieser Schwäche unserer Wahrnehmung ihren Lebensunterhalt. Am besten drückte dies Richard Pryor in einer Comicnummer aus, in der er seine Ehepartnerin mit einer anderen Frau erwischt. »Wem glaubst du mehr? Mir oder deinen lügenden Augen?«
Douglas Coupland
Ein Zufall, zwei Déjà-vus
Schriftsteller, Künstler, Designer; Autor von Marshall McLuhan: Eine Biographie
Mich tröstet die Tatsache, dass es in unserem Leben zwei Aspekte gibt, die offenbar gleichberechtigt und demokratisch dem Wesen des Menschen zugeteilt sind, ohne dass es für sie eine befriedigende letzte Erklärung gäbe. Der eine ist das zufällige Zusammentreffen, der andere das Déjà-vu. Es spielt keine Rolle, ob man Königin Elisabeth ist, einer der 33 Bergarbeiter, die in Chile gerettet wurden, eine südkoreanische Hausfrau oder ein Nomade und Ziegenhirte in Zimbabwe: Im Zeitraum von 365 Tagen wird man wahrscheinlich zwei Déjà-vus und ein zufälliges Zusammentreffen erleben, bei denen man innehält und ausruft: »Mensch, das war aber ein Zufall!«
Mit Zufällen ist es so eine Sache: Wenn man sich die ungezählten Billionen Zufälle ausmalt, die uns in jedem beliebigen Augenblick widerfahren könnten, geschehen Zufälle in der Praxis fast nie. Sie sind so selten, dass sie uns in Erinnerung bleiben, wenn sie sich doch einmal ereignen. Für mich legt das die Vermutung nahe, dass das Universum Zufälle aufgrund seiner Konstruktion abwehrt, wann immer es möglich ist. Das Universum hasst Zufälle; ich weiß nicht, warum – es scheint mir einfach zu stimmen. Wenn also ein Zufall eintritt, musste er sich große Mühe geben, um dem System zu entkommen. Daraus kann man eine Lehre ziehen. Wie lautet sie?
Sehen Sie hin
. Sehen Sie
genau
hin. Mathematiker haben dafür vielleicht ein Theorem, und wenn es so ist, dürfte es sich von seinem Wesen her um ein Theorem für etwas handeln, das größer ist, als sie glauben.
Das Gespenstische und Interessante an Déjà-vu-Erlebnissen ist für mich, dass sie in unserem Leben fast mit der Regelmäßigkeit eines Metronoms stattfinden, nämlich ungefähr alle sechs Monate; sie sind ein poetischer Zeitmesser, der uns zumindest daran erinnert, dass wir noch am Leben sind. Ich kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass meine dreizehnjährige Nichte, Stephen Hawking und ein Arbeiter in einer Kofferfabrik in Beijing jeweils zweimal im Jahr ein Déjà-vu erleben. Nicht einmal und nicht dreimal.
Zweimal
.
Die Biodynamik der Déjà-vu-Erlebnisse lässt sich wahrscheinlich auf eine Art kribbelnder Neuronen in einem bestimmten Gehirnteil zurückführen, aber das sagt noch nichts darüber aus, warum es sie gibt. Mir scheinen sie ein Signal für eine umfassendere Sichtweise zu sein, die uns daran erinnern will, dass unser Leben etwas Besonderes ist, dass es einen Sinn hat und dass es sich während eines bestimmten Zeitraums abspielt. Wir sind wichtig, und was uns für das Universum wertvoll macht, sind unser Empfindungsvermögen und unser Fluch und Segen der ständigen Selbstwahrnehmung.
Katinka Matson
Ockhams Rasiermesser
Künstlerin; Mitbegründerin von Edge.org; Präsidentin von Brockman, Inc.; Autorin von Short Lives.
Fasse dich kurz.
Alun Anderson
Zeitentiefe
Leitender Berater und früherer Chefredakteur und Verlagsleiter, New Scientist ; Autor von After the Ice: Life, Death and Geopolitics in the New Arctic
Es gibt eine einfache, kraftvolle Idee, die mir einerseits für sich genommen tiefgreifend und schön vorkommt, andererseits aber auch die Mutter einer ganzen Reihe weiterer eleganter Theorien und Erklärungen ist. Ich meine damit die Vorstellung von der »Zeitentiefe«; danach ist die Erde ungeheuer alt, und unsere Spezies hat nur eine sehr kurze Lebensspanne. Als dieser Gedanke sich zum ersten Mal herauskristallisierte, widersprach er allem, was man zu jener Zeit glaubte, aber am Ende sollte er die Sichtweise der Menschen über sich selbst ebenso stark verändern wie die frühere Entdeckung, dass
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