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Wie funktioniert die Welt?

Wie funktioniert die Welt?

Titel: Wie funktioniert die Welt? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brockman , Herausgegeben von John Brockman
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sagte dem Versuchsleiter, etwas sei nicht in Ordnung. War die Versuchsperson aber von zwei oder drei anderen umgeben (darunter einige Eingeweihte, die angewiesen waren, unbeweglich sitzen zu bleiben), blieb sie häufig ebenfalls sitzen, selbst als sie die anderen in dem dichten Rauch nicht mehr sehen konnte. Auf spätere Fragen antworteten solche Studenten, sie hätten nichts unternommen, weil sie der Ansicht gewesen seien, der Rauch sei harmlos (Wasserdampf oder Dampf aus der Klimaanlage); gleichzeitig behaupteten sie, sie hätten wenig oder gar nicht darauf geachtet, wie die anderen im Raum reagiert hätten.
    Nach Ansicht von Latané und Darley untergraben die Denkmuster, die uns von niederen Tieren unterscheiden, letztlich unsere Bereitschaft, in solchen Situationen zu helfen, wenn wir uns in Gesellschaft anderer befinden, die ebenso zurückhaltend sind.

Gerald Smallberg
Der Zauberer von Ich
    Praktizierender Neurologe; Dramatiker, Autor der Off-Off-Broadway-Produktionen Charter Members und The Gold Ring
    Bewusstsein ist die Verschmelzung unmittelbarer Reize mit Erinnerungen; es verbindet das Gefühl, gleichzeitig Beobachter und Beobachteter zu sein, zu einem bruchlosen, fühlenden Strom der Zeit, der weder die eigentliche Vergangenheit noch die eigentliche Gegenwart darstellt, sondern irgendwie auf unerklärliche Weise beides ist. Es ist die letzte Autorität und der Schiedsrichter unserer Wahrnehmungsrealität. Dass das Bewusstsein für Wissenschaftler und Philosophen nach wie vor ein unlösbares Verständnisproblem darstellt, ist nicht verwunderlich. Wie die Antwort letztlich auch aussehen wird, nach meiner Vermutung wird sich herausstellen, dass das Bewusstsein eine Illusion ist, die der Geist im Laufe der Evolution entwickelt hat, um dahinter die chaotische Tätigkeit seiner modularen parallelen Berechnungen zu verstecken.
    Wenn Neurophysiologen auch nur ganz leicht an dem Schleier zupfen, der den »Zauberer von Ich« verbirgt, so stellen sie fest, dass dieser unverzichtbare, aufmerksame und beobachtende Selbstkontrolleur, den wir Bewusstsein nennen, bei der Beaufsichtigung unserer Wahrnehmungen auf einen Trick angewiesen ist. Unser subjektives Zeitgefühl entspricht nicht der Realität. In der Hirnrinde angeregte Potenziale – elektrische Aufzeichnungen –, die im gesunden Gehirn bei Routinetätigkeiten entstehen, sind nachgewiesenermaßen dem Bewusstsein für eine tatsächliche, willkürliche Bewegung oder für einen Sinnesreiz um ungefähr eine Drittelsekunde voraus. Die in der Rinde ausgelösten Potenziale weisen darauf hin, dass das Gehirn eine Aktion oder die Reaktion auf Vorgänge viel früher auslöst als das unserer augenblicklichen Wahrnehmung entspricht. Im physiologischen Maßstab stellt dies eine gewaltige Diskrepanz dar, die unser Gehirn korrigiert: Es fälscht die Zeit, zu der eine Handlung oder ein Ereignis tatsächlich stattfindet, und sorgt so dafür, dass unser bewusstes Erleben mit dem, was wir wahrnehmen, übereinstimmt.
    Daten, die unser Vertrauen in die Zuverlässigkeit unserer Wahrnehmungen noch stärker beschädigten, ergeben sich aus der Untersuchung der sogenannten Sakkaden, schneller Augenbewegungen, die durch neue visuelle Reize ausgelöst werden. In den kurzen Augenblicken dieser sprunghaften Augenbewegungen wird der visuelle Input im Gehirn aktiv unterdrückt; wir sind buchstäblich blind. Ohne diese unwillkürliche Zensur unserer Augen würden wir immer wieder von Augenblicken einer akuten unscharfen visuellen Wahrnehmung heimgesucht, die nicht nur unangenehm, sondern auch gefährlich wäre. Unter dem Gesichtspunkt der Überlebensfähigkeit wäre dies ein extremer Nachteil, denn das Phänomen würde immer wieder bei neuartigen Reizen auftreten, die naturgemäß nicht die geringste, sondern die größte visuelle Aufmerksamkeit erfordern.
    Diese unerträgliche Situation löst der Zauberer auf, indem er die betreffenden Zeiträume aus unserem Bewusstseinsstrom ausblendet und an ihre Stelle einen visuellen Eindruck setzt, der aus dem, was gerade geschehen ist und unmittelbar zu erwarten steht, extrapoliert wird. Das Bewusstsein muss wie ein früherer Präsident eine Erklärung für die gelöschten Daten liefern. Damit wir die Fehler in dieser notwendigen Täuschung erkennen können, hat uns die Evolution mit einer Geschichte ausgestattet, die viel länger ist als der begrenzte Zeitraum unter dem Damoklesschwert eines Sonderermittlers. Statt sich darum zu bemühen, die Existenz

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