Wie funktioniert die Welt?
glücklichste Gedanke meines Lebens«, wie er selbst ihn nannte. Stellen wir uns einmal einen Astronauten in einem fensterlosen Raumschiff vor, der auch sonst die Außenwelt nicht sehen kann. Ist das Raumschiff weit von Sternen oder Planeten entfernt, befindet sich alles in seinem Inneren im freien Fall; es gibt kein Gravitationsfeld, das die Gegenstände hin und her schieben könnte. Jetzt bringen wir das Raumschiff in eine Umlaufbahn um einen großen Himmelskörper, der eine beträchtliche Gravitation ausübt. Im Inneren des Raumschiffs ist immer noch alles im freien Fall, denn alle Objekte werden von der Gravitation gleichermaßen beeinflusst; keines von ihnen wird zu einem anderen hin- oder von ihm weggezogen. Wenn wir nur das wissen, was wir innerhalb des Raumschiffs beobachten können, ist es unmöglich, die Gravitation nachzuweisen.
Mit seinem genialen Geist erkannte Einstein, welch tiefgreifende Folgerung sich aus dieser Situation ergibt: Wenn die Gravitation auf alles gleichermaßen wirkt, ist es überhaupt falsch, sie sich als »Kraft« vorzustellen. Gravitation ist vielmehr ein Merkmal der Raumzeit, durch die sich alle Objekte bewegen. Genauer gesagt, ist Gravitation die Krümmung der Raumzeit. Raum und Zeit, durch die wir uns bewegen, sind im Gegensatz zu Newtons Vorstellung nicht fest und absolut, sondern sie krümmen und dehnen sich durch den Einfluss von Materie und Energie. Deshalb werden Objekte von der Raumzeit in verschiedene Richtungen geschoben, und dieses Phänomen bezeichnen wir als »Gravitation«. Mit einer Kombination aus beeindruckenden mathematischen Überlegungen und einer beispiellosen physikalischen Intuition konnte Einstein ein Rätsel lösen, das seit Galileis Zeit im Raum gestanden hatte.
Steven Pinker
Evolutionsgenetik und die Konflikte des menschlichen Soziallebens
Johnstone Family Professor, Department of Psychology, Harvard University; Autor von Gewalt – eine neue Geschichte der Menschheit
Komplexes Leben ist ein Produkt der natürlichen Selektion, und deren Triebkraft ist die Konkurrenz zwischen Replikatoren. Das Ergebnis hängt davon ab, welche Replikatoren am besten die Energie und Materialien mobilisieren können, die zu ihrer Verdoppelung notwendig sind, und wie schnell sie Kopien ihrer selbst herstellen, die sich ihrerseits wieder replizieren. Den ersten Aspekt ihres Wettbewerbs kann man als Überleben, Stoffwechsel oder somatische Anstrengung bezeichnen, den zweiten als Reproduktion oder Fortpflanzungserfolg. Auf allen Stufen, von RNA und DNA bis zu ganzen Organismen, setzt das Lebendige die Merkmale um, die diese beiden Funktionen ausführen – und ständig Tauschhandel zwischen ihnen betreiben.
Ein solcher Tauschhandel betrifft die Frage, ob man Ressourcen (Energie, Nahrung, Risiko, Zeit) darauf verwendet, möglichst viele Nachkommen hervorzubringen und sich selbst zu überlassen, oder ob man weniger Nachkommen produziert und deren Überlebens- und Fortpflanzungschancen dann verbessert. Dieses Kontinuum spiegelt sich im Ausmaß der
elterlichen Investition
wider, die ein Organismus vornimmt.
Da die elterliche Investition ein endliches Ausmaß hat, müssen investierende Lebewesen einen zweiten Tauschhandel betreiben: Investieren sie Ressourcen in einen bestimmten Nachkommen, oder sparen sie diese Ressourcen auf, um sie in bereits vorhandene oder potentielle Geschwister zu investieren?
Wegen des entscheidenden Unterschieds zwischen den Geschlechtern – Weibchen produzieren weniger, aber aufwendigere Gameten –, investieren die Weibchen der meisten Arten mehr in die Nachkommen als die Männchen, deren Investition oft nahezu bei null liegt. Insbesondere Säugetierweibchen haben sich für umfangreiche Investitionen entschieden, die mit der inneren Schwangerschaft und dem Säugen beginnen. Bei manchen Spezies, darunter der
Homo sapiens
, investieren auch die Männchen, allerdings weniger als die Weibchen.
Die natürliche Selektion begünstigt den Einsatz von Ressourcen nicht nur von den Eltern für die Nachkommen, sondern auch unter genetischen Verwandten, beispielsweise Geschwistern oder Cousins und Cousinen. Ein Gen, das einen Elternteil zur Investition in die Nachkommen veranlasst, begünstigt damit eine Kopie seiner selbst, die sich in diesen Nachkommen befindet; nach dem gleichen Prinzip hilft ein Gen, das einen Organismus zur Investition in einen Bruder oder Vetter veranlasst, in einem bestimmten Prozentsatz der Fälle ebenfalls einer Kopie seiner selbst,
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