Wie funktioniert die Welt?
und entsprechend wird es im Verhältnis zu dem damit verbundenen Nutzen, den erforderlichen Kosten und dem Grad der genetischen Verwandtschaft selektiert.
Damit habe ich die grundlegenden Merkmale des Lebens auf der Erde (und möglicherweise des Lebens überall) skizziert, aber ich habe noch kaum weitere Tatsachen im Zusammenhang mit unserer eigenen Spezies erwähnt – abgesehen davon, dass wir Säugetiere sind, bei denen auch die Väter investieren. Jetzt möchte ich einen zweiten Aspekt hinzufügen: Wir sind mit einem Gehirn ausgestattet, das die Rätsel des Lebens nicht nur mit Hilfe festgelegter, in evolutionären Zeiträumen selektierter Anpassungen bewältigt, sondern auch mit angepassten Fähigkeiten (Kognition, Sprache, Sozialisation), die wir während unserer eigenen Lebenszeit anlegen und deren Produkte wir auf dem Weg über die Kultur mit anderen teilen.
Aus diesen Grundprinzipien des Evolutionsprozesses kann man ungeheuer viele Erkenntnisse über das soziale Leben unserer Spezies ableiten. (Danke, wem Dank gebührt: William Hamilton, George Williams, Robert Trivers, Donald Symons, Richard Alexander, Martin Daly, Margo Wilson.)
Konflikte gehören zum Wesen des Menschen. Trotz aller religiösen Mythen vom Paradies, romantischer Bilder von edlen Wilden, utopischer Träume von vollständiger Harmonie und eingängiger Metaphern wie Bindung, Zuneigung und Zusammenhalt, ist das Leben der Menschen nie frei von Reibungen. In allen Gesellschaften gibt es ein gewisses Maß an Prestige- und Statusunterschieden, eine ungleiche Verteilung von Macht und Reichtum, Bestrafungen, sexuelle Regeln, sexuelle Eifersucht, Feindseligkeiten gegenüber anderen Gruppen und Konflikte innerhalb der Gruppe selbst mit Gewalt, Vergewaltigung und Mord. Diese Konflikte verfolgen wir mit kognitiver und moralischer Besessenheit. In der Weltliteratur gibt es nur eine kleine Zahl von Handlungsmustern, gekennzeichnet durch Feinde (häufig in Verbindung mit Mord) und Verwandtschafts- und/oder Liebestragödien. In der Realität ist unsere Lebensgeschichte im Wesentlichen eine Geschichte der Konflikte: der Verletzungen, Schuldgefühle und Rivalitäten zwischen Freunden, Verwandten und Konkurrenten.
Der wichtigste Zufluchtsort vor diesen Konflikten ist die Familie – eine Ansammlung von Individuen, die ein evolutionäres Interesse am Gedeihen des jeweils anderen haben. Deshalb stellen wir fest, dass traditionelle Gesellschaften rund um Verwandtschaft organisiert sind und dass politische Führungsgestalten von großen Kaisern bis zu Westentaschentyrannen sich darum bemühen, die Macht an ihre Nachkommen weiterzugeben. Extreme Formen des Altruismus wie die Spende eines Organs oder die Vergabe eines riskanten Kredits werden in der Regel Verwandten angeboten, und das gleiche gilt für die Vererbung des Vermögens nach dem Tod – die eine wichtige Ursache der wirtschaftlichen Ungleichheit ist. Nepotismus gefährdet ständig gesellschaftliche Institutionen wie Religionen, Regierungen und Unternehmen, die mit den instinktiven Bindungen der Familie in Wettbewerb treten.
Selbst die Familie ist nicht vollständig sicher vor Konflikten: Die von gemeinsamen Genen ausgehende Solidarität muss in Widerstreit mit der Konkurrenz um elterliche Investitionen treten. Eltern müssen ihre Investition auf alle geborenen und ungeborenen Kinder verteilen, wobei jeder Nachkomme (unter ansonsten gleichen Voraussetzungen) gleichermaßen wertvoll ist. Ein Nachkomme hat zwar ein Interesse am Wohlergehen seiner Geschwister, mit denen er – im Falle von Vollgeschwistern – die Hälfte seiner Gene teilt, mit sich selbst hat er aber
alle
seine Gene gemeinsam, und deshalb ist sein Interesse am eigenen Wohlergehen entsprechend größer. Der unausgesprochene Konflikt entfaltet sich während des gesamten Lebens: in der postnatalen Depression, bei Säuglingsmord, Kindchenschema, Entwöhnung, Mutwillen, kindlichen Wutausbrüchen, Rivalität zwischen Geschwistern und Erbstreitigkeiten.
Sex ist nicht nur ein Zeitvertreib zum gegenseitigen Vergnügen und im gegenseitigen Einverständnis von Erwachsenen. Das liegt daran, dass die unterschiedliche elterliche Mindestinvestition von Männern und Frauen letztlich ein Ausdruck unterschiedlicher Evolutionsinteressen ist. Männer können im Gegensatz zu Frauen ihre Fortpflanzungsleistung durch mehrere Partnerinnen steigern. Männer neigen stärker als Frauen zu Untreue. Frauen sind stärker als Männer durch Verlassenwerden
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