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Wie funktioniert die Welt?

Wie funktioniert die Welt?

Titel: Wie funktioniert die Welt? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brockman , Herausgegeben von John Brockman
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als
Quasikristalle
bezeichnen – eine Kurzform für »quasiperiodische Kristalle«. (Als
quasiperiodisch
bezeichnet man eine Atomanordnung, in der man die Positionen der Atome als Summe von Oszillationsfunktionen beschreiben kann, deren Frequenzen ein irrationales Verhältnis haben.) Die Anregung dazu gab uns ein zweidimensionales Fliesenmuster, das von Sir Roger Penrose erfunden worden war und deshalb als Penrose-Muster bezeichnet wurde: Es besteht aus zweierlei Fliesen, die in einem fünffach-symmetrischen Muster angeordnet sind. Wir wiesen nach, dass Quasikristalle in drei Dimensionen existieren können und nicht den Regeln der Kristallographie unterliegen. Sie können sogar jede Symmetrie annehmen, die Kristallen verboten ist. Außerdem zeigten wir, dass die Brechungsmuster, die man für ikosaedrische Quasikristalle vorhersagen kann, den Beobachtungen von Shechtman et al. entsprechen.
    Seit 1984 hat man im Labor auch Quasikristalle mit anderen verbotenen Symmetrien synthetisiert. Der Nobelpreis für Chemie wurde 2011 an Dan Shechtman verliehen, weil er mit seinem experimentellen Durchbruch unsere Vorstellungen von den möglichen Formen der Materie verändert hat. In jüngerer Zeit fanden Kollegen und ich Belege dafür, dass Quasikristalle vermutlich zu den ersten Mineralien gehörten, die sich im Sonnensystem bildeten.
    Die Kristallographie, die ich in Weyls Buch zum ersten Mal kennenlernte und die mir damals so vollständig und unveränderlich vorkam, erwies sich also als entsetzlich unvollständig: In ihr fehlte eine buchstäblich unermessliche Zahl möglicher Symmetrien für die Materie. Vielleicht kann man daraus etwas lernen: Eleganz und Einfachheit sind zwar oft nützliche Kriterien zur Beurteilung von Theorien, sie können uns aber manchmal auch zu dem irrigen Gedanken verleiten, wir hätten recht, wenn wir in Wirklichkeit unendlich weit daneben liegen.

Shing-Tung Yau
Mathematisches oder natürliches Objekt?
    Mathematiker, Harvard University; Coautor (mit Steve Nadis) von The Shape of Inner Space
    Die meisten wissenschaftlichen Erkenntnisse haben ihre Grundlage in Dingen, die wir mit bloßem Auge nicht sehen, mit unseren Ohren nicht hören und mit unseren Händen nicht spüren können. Zu ihrer Beschreibung und als Leitfaden dienen vielfach mathematische Theorien. Letztlich ist es schwierig, ein mathematisches Objekt von Objekten in der Natur zu unterscheiden.
    Ein Beispiel ist der Begriff der Kugel. Ist die Kugel ein Teil der Natur, oder ist sie ein mathematisches Kunstprodukt? Für einen Mathematiker ist das schwer zu sagen. Vielleicht ist der abstrakte mathematische Begriff in Wirklichkeit ein Teil der Natur. Und es ist nicht verwunderlich, dass dieser abstrakte Begriff die Natur eigentlich ganz zutreffend beschreibt.

Frank Wilczek
Einfachheit
    Theoretischer Physiker, Massachusetts Institute of Technology; Mitpreisträger des Physik-Nobelpreises 2004 ; Autor von The Lightness of Being
    Wir alle haben ein intuitives Gespür dafür, was mit »Einfachheit« gemeint ist. In der Wissenschaft wird das Wort häufig als eine Art Lob verwendet. Wir rechnen damit, dass einfache Erklärungen natürlicher, stichhaltiger und zuverlässiger sind als komplizierte. Epizyklen oder lange Listen von Ausnahmen und Sonderfällen verabscheuen wir. Aber können wir noch einen Schritt weitergehen und unsere Intuition im Zusammenhang mit Einfachheit zu präzisen wissenschaftlichen Begriffen weiterentwickeln? Hat »Einfachheit« einen einfachen Kern? Ist Einfachheit etwas, das wir quantitativ erfassen und messen können?
    Wenn ich über große philosophische Fragen nachdenke, was ich vermutlich häufiger tue, als gut für mich ist, besteht eine meiner Lieblingsmethoden darin, die Frage in Begriffen zu formulieren, die auch für einen Computer einen Sinn ergeben könnten. In der Regel ist das eine zerstörerische Methode: Sie zwingt zur Klarheit, und wenn man den Nebel aufgelöst hat, entdeckt man, dass von unserer großen philosophischen Frage nur sehr wenig übrig bleibt. Hier jedoch, wenn man das Wesen der Einfachheit begreifen will, erweist sich die Methode als kreativ: Sie führte mich geradewegs zu einer (einfachen) tiefgreifenden Idee aus der mathematischen Informationstheorie – zur Idee der Beschreibungslänge. Der Gedanke läuft in der wissenschaftlichen Literatur unter mehreren Namen, darunter algorithmische Entropie oder Kolmogorow-Smirnow-Chaitin-Komplexität. Ich wähle natürlich den einfachsten.
    Die

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