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Wie funktioniert die Welt?

Wie funktioniert die Welt?

Titel: Wie funktioniert die Welt? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brockman , Herausgegeben von John Brockman
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aus. »Bewusstsein« hat viele Aspekte: eine zeitliche Kontinuität, ein Gefühl der Handlungsmacht oder des freien Willens, Rekursivität oder »Selbstwahrnehmung« und so weiter. Ein besonders auffälliges Attribut jedoch ist die subjektive Einheitlichkeit: Wir erleben alle unsere vielfältigen Sinneseindrücke, Gedanken, willkürlichen Handlungen und Erinnerungen nicht als schwankend oder bruchstückhaft, sondern als einheitlich. Dieses Attribut des Bewusstseins erscheint uns zusammen mit dem zugehörigen Gefühl der unmittelbaren Gegenwart oder des »Hier und Jetzt« so selbstverständlich, dass wir in der Regel nicht darüber nachdenken; wir sehen es als gegeben an.
    Ein zentrales Merkmal des Bewusstseins ist also seine Einheitlichkeit – und hier haben wir eine Gehirnstruktur, die Signale an praktisch alle anderen Gehirnstrukturen aussendet und von ihnen empfängt, unter anderem vom rechten Scheitellappen (der am Zusammenfließen und der Verkörperung vieler Sinneseindrücke mitwirkt) und vom Cortex cingulatus anterior (der am Erlebnis des »freien Willens« beteiligt ist). Offensichtlich stellt das Claustrum also die anatomische Einheitlichkeit her, das Bewusstsein dagegen die geistige. Crick und Koch erkannten, dass dies wohl kein Zufall ist: Wahrscheinlich ist das Claustrum für das Bewusstsein von entscheidender Bedeutung – es könnte sogar die Idee des cartesianischen Theaters verkörpern, die unter Philosophen tabu ist –, oder es ist zumindest der Dirigent des Orchesters. Solche kindlichen Überlegungen führen häufig zu großen Entdeckungen. Natürlich sind derartige Analogien kein Ersatz für strenge wissenschaftliche Arbeit, aber sie stellen einen guten Ausgangspunkt dar. Die Idee von Crick und Koch könnte richtig oder falsch sein, aber elegant ist sie in jedem Fall. Wenn sie stimmt, haben die beiden den Weg zur Lösung eines der größten Rätsel der Biologie geebnet. Und selbst wenn sie falsch ist, täten Wissenschaftler, die neu im Fachgebiet sind, gut daran, ihre Arbeitsweise nachzuahmen. Crick hatte zu oft recht, als dass man ihn übergehen könnte.
    Im Juli 2004 besuchte ich ihn in seinem Haus in La Jolla. Als ich gehen wollte, brachte er mich zur Tür, und als wir uns verabschiedeten, zwinkerte er mir listig und verschwörerisch zu: »Ich glaube, es ist das Claustrum, Rama. Dort liegt das Geheimnis.« Eine Woche später war er tot.

David M. Eagleman
Überlappende Lösungen
    Neurowissenschaftler, Baylor College of Medicine; Autor von Inkognito: Die geheimen Eigenleben unseres Gehirns
    Das Elegante am Gehirn ist seine Uneleganz. Jahrhundertelang bemühte sich die Neurowissenschaft darum, seine verschiedenen Teile fein säuberlich mit Etiketten zu versehen: Dies ist das Areal für Sprache, jenes für Moral, dieses für Werkzeuggebrauch, Farberkennung, Gesichtserkennung und so weiter. Die Suche nach einer geordneten Landkarte des Gehirns war anfangs ein durchaus plausibles Unternehmen, erwies sich aber später als falscher Ansatz.
    Der tiefgreifende, schöne Kunstgriff des Gehirns ist interessanter: Es besitzt zahlreiche einander überschneidende Methoden für den Umgang mit der Welt. Es ist eine Maschine aus widersprüchlichen Einzelteilen. Es ist eine repräsentative Demokratie und funktioniert durch die
Konkurrenz
zwischen Parteien, die alle glauben, sie würden den richtigen Weg zur Problemlösung kennen.
    Deshalb können wir über uns selbst verzweifeln, mit uns selbst streiten, über uns selbst fluchen und mit uns selbst Übereinstimmung erzielen. Wir können uns innerlich zerrissen fühlen. Solche neuronalen Streitigkeiten bilden den Hintergrund, wenn wir in der Ehe untreu sind, in eine Sucht zurückfallen, uns bei der Diät selbst betrügen oder die zum neuen Jahr gefassten Vorsätze über Bord werfen – all das sind Situationen, in denen ein Teil einer Person etwas will, während ein anderer Teil etwas anderes bevorzugt.
    Moderne Maschinen tun so etwas einfach nicht. In einem Auto gibt es keinen Konflikt zwischen Rechts- und Linksabbiegen: Der Wagen hat ein Lenkrad, das von einem Fahrer bedient wird, und folgt widerspruchslos den Anweisungen. Ein Gehirn dagegen kann zwei Seelen beinhalten, und oft sind es noch viel mehr. Wir wissen nicht, ob wir uns dem Kuchen zu- oder von ihm abwenden sollen, weil mehrere Hände am Verhaltenslenkrad drehen.
    Betrachten wir beispielsweise das Gedächtnis: Unter normalen Umständen werden die Erinnerungen an die Ereignisse des Tages in einem

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