Wie funktioniert die Welt?
Strukturebene der Materie zu tun haben. Fragen wir Mutter Natur. Sie weiß, was »elegant« und »richtig« ist, aber bisher sagt sie es uns nicht.
Robert Provine
Wenn Beobachter beobachten
Neurowissenschaftler und Psychologe, University of Maryland; Autor von Curious Behavior: Yawning, Laughing, Hiccuping, and Beyond
Die Frage nach einer tiefgreifenden, eleganten, schönen Lieblingserklärung lässt mich mehr oder weniger kalt. »Tief greifend«, »elegant« und »schön« sind ästhetische Qualitäten, die ich eher mit Erfahrung und Handeln als mit Erklärungen in Verbindung bringe, insbesondere der Erfahrung und dem Handeln des beobachtenden Beobachters. Beobachtung ist das Bindeglied zwischen allen empirischen Wissenschaften und der Grund, warum Physiker zu den Begründern der experimentellen Psychologie gehörten. Der Unterschied zwischen Psychologie und Physik ist ein Unterschied der Gewichtungen; den Prozess, dass Beobachter beobachten, gibt es in beiden. Die Physik legt das Schwergewicht auf das Beobachtete, die Psychologie auf den Beobachter. So entsetzlich dies für Hyperempiriker auch sein mag, die den Beobachter außer Acht lassen: Physik ist zwangsläufig die Wissenschaft vom Verhalten der Physiker, Biologe die Wissenschaft von den Biologen und so weiter.
Vor einigen Jahrzehnten diskutierte ich über das Thema mit John Wheeler; er fand es naheliegend und stellte fest, eine wesentliche Beschränkung für die Kosmologie sei der Kosmologe. Wenn die Studierenden in meinem Kurs über Sinne und Wahrnehmung von mir hören, dass wir uns mit der Erforschung von allem beschäftigen, meine ich das völlig ernst. Die Wissenschaft von Sinnen und Wahrnehmung ist in vielerlei Hinsicht die grundlegendste, universellste Wissenschaft überhaupt.
Meine Leidenschaft für das Beobachten hat nicht nur wissenschaftliche, sondern auch ästhetische Gründe. Meine denkwürdigsten Beobachtungen sind die des Nachthimmels. Andere nennen vielleicht die Entdeckung eines Fossils von einem
T. Rex
oder den Gesang der Vögel an einem wunderschönen Frühlingstag. Um besser und weiter sehen zu können, baue ich große und kleine Teleskope. Ich mag Photonen im frischen Zustand und nicht eingesammelt von CCD s oder analysiert vom Computer. Ich möchte dem Kosmos auf Tuchfühlung begegnen und ihn über meine Netzhaut fluten lassen. Mein Beruf als Neurowissenschaftler liefert seine eigenen Beobachtungsabenteuer, darunter die einzigartige Gelegenheit, den Kreis zu schließen und den neurologischen Mechanismus zu erforschen, durch den der Beobachter beobachtet und etwas über den Kosmos erfährt.
Vilayanur Ramachandran
Gene, Claustrum und Bewusstsein
Neurowissenschaftler; Professor und Direktor am Center for Brain and Cognition der University of California in San Diego; Autor von The Tell-Tale Brain
Welches ist meine elegante Lieblingsidee? Die Aufklärung der DNA -Struktur liegt sicher am nächsten, aber das ist nichts Neues. Ich möchte die Ansicht vertreten, dass dieselbe Strategie, mit der man den genetischen Code entschlüsselt hat, auch zur Aufklärung des »neuronalen Codes« des Bewusstseins und des Ichs erfolgreich beitragen kann. Das ist ein langfristiges Ziel, aber es lohnt sich, darüber nachzudenken.
Ein charakteristisches Merkmal vieler großer Wissenschaftler ist die Fähigkeit, Analogien zu verstehen und den Unterschied zwischen tiefen und oberflächlichen Analogien zu erkennen. Auch Francis Crick und James Watson machen da keine Ausnahme. Crick selbst warnte davor, angesichts des zufälligen Verlaufs der Evolution in der Biologie nach Eleganz zu suchen. »Gott ist ein Pfuscher«, sagte er, und dann fügte er (nach dem Bericht meines Kollegen Don Hoffman) hinzu: »Schon so mancher junge Biologe hat sich mit Ockhams Rasiermesser selbst den Hals durchgeschnitten.« Und doch steht seine Lösung für das Rätsel der Vererbung als eleganteste Entdeckung der Biologie gleichberechtigt neben der natürlichen Selektion. Wird sich auch für das Problem des Bewusstseins eine ähnlich elegante Lösung herauskristallisieren?
Dass Crick und Watson die Doppelhelixstruktur des DNA -Moleküls aufklärten, ist allgemein bekannt: Es besteht aus zwei umeinandergewundenen, komplementären Nucleotidsträngen. Weniger bekannt ist die Abfolge von Ereignissen, die in dieser Entdeckung ihren Höhepunkt fand.
Erstens besagen Mendels Gesetze, dass Gene (zumindest in erster Näherung, die damals noch als richtig galt) abgegrenzte Einheiten sind.
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