Wie funktioniert die Welt?
Physiker erkannten, dass das Ticktack des radioaktiven Zerfalls eine Uhr darstellt, mit deren Hilfe sie das Alter von Gestein hervorragend genau abschätzen können. Deshalb wissen wir heute, dass die Erde nicht nur Jahrmilliarden alt ist, sondern 4 , 567 Milliarden Jahre.
Eleganz spielt zweifellos für den Fortschritt der Wissenschaft eine große Rolle. Die mathematische Einfachheit der Quantenphysik ist ein schöner Anblick. Aber in den Händen der Geologen hat die Quantenphysik die prachtvolle, chaotische und sehr unelegante Geschichte unseres Planeten ans Licht gebracht.
David M. Buss
Die Theorie der sexuellen Konflikte
Professor für Psychologie, University of Texas, Austin; Coautor (mit Cindy M. Meston) von Warum Frauen Sex haben: die 237 Motive für weiblichen Sex
In den traditionell völlig getrennten Fachgebieten von Evolutionsbiologie und Psychologie hat sich eine faszinierende Parallele herauskristallisiert. Die Biologen betrachteten die Fortpflanzung seit jeher als ein Unternehmen, das von seinem Wesen her kooperativ ist. Ein Männchen und ein Weibchen paaren sich, um das gemeinsame Ziel der Erzeugung von Nachkommen zu erreichen. In der Psychologie ging man davon aus, dass liebevolle Harmonie der Normalzustand ist. Größere Konflikte unter Liebespaaren galten und gelten noch heute in der Regel als Anzeichen für eine Fehlfunktion. Solche Ansichten ändern sich derzeit durch eine radikale Neuformulierung, die sich in der Theorie der sexuellen Konflikte verkörpert.
Ein sexueller Konflikt tritt immer dann auf, wenn die Fortpflanzungsinteressen eines einzelnen Männchens und eines einzelnen Weibchens in unterschiedliche Richtungen zielen – oder genauer gesagt, wenn die »Interessen« ihrer Gene auseinanderlaufen. Die Theorie der sexuellen Konflikte definiert die vielen Umstände, unter denen eine solche Dissonanz vorhersehbar ist und völlig den Erwartungen entspricht.
Ein Beispiel ist die Täuschung auf dem Paarungsmarkt. Wenn ein Mann eine Strategie der kurzfristigen Paarung verfolgt, während die Frau, an der er sexuelles Interesse hat, sich langfristige Ziele setzt, ist der Konflikt zwischen beiden praktisch unvermeidlich. Männer sind bekannt dafür, dass sie langfristige Verpflichtung, Interessen oder emotionale Bindung vortäuschen, um damit das Ziel einer unverbindlichen sexuellen Beziehung zu erreichen, womit sie die langfristige Paarungsstrategie der Frauen stören. In der Evolution der Männer haben sich raffinierte Strategien der sexuellen Ausbeutung entwickelt; umgekehrt präsentieren Frauen sich manchmal als kostenlose sexuelle Gelegenheit, und dann dringen sie erfolgreich in den paarungsbereiten Geist des Mannes ein, bis er eines Morgens aufwacht und erkennt, dass er ohne sie nicht mehr leben kann – eine Version der Lockvogeltaktik im evolutionären Arsenal der Frauen.
Auch wenn ein Mann und eine Frau schließlich in einer langfristigen Liebesbeziehung verbunden sind, laufen ihre Evolutionsinteressen häufig auseinander. Sexuelle Untreue aufseiten der Frau kann ihr nützen, wenn sie sich damit überlegene Gene für ihre Nachkommen sichert; ein solches Ereignis ist für den unglückseligen Partner mit katastrophalen Kosten verbunden, denn er setzt seine Ressourcen unwissentlich für das Kind eines Konkurrenten ein. Aus Sicht der Frau birgt die Untreue des Mannes die Gefahr, dass kostbare Ressourcen zu Konkurrentinnen und ihren Kindern umgelenkt werden, und es besteht sogar das Risiko, dass sie das Engagement des Mannes völlig verliert. Sexuelle Untreue, emotionale Untreue und Ressourcen-Untreue sind als gemeinsame Ursachen sexueller Konflikte so häufig, dass Theoretiker für jede davon einen eigenen Begriff geprägt haben.
Dennoch ist nicht alles verloren. Wie die Evolutionsforscherin Helene Cronin sehr beredt festgestellt hat, ergeben sich sexuelle Konflikte im Zusammenhang der sexuellen Kooperation. Für sexuelle Kooperation jedoch sind einige Evolutionsbedingungen sehr genau vorgegeben: Die Beziehung ist ausschließlich monogam; die Wahrscheinlichkeit, dass ein Partner untreu oder abtrünnig wird, liegt bei null; das Paar bringt Nachkommen als gemeinsame Vehikel für seine genetische Fracht hervor; gemeinsame Ressourcen können nicht unterschiedlich kanalisiert werden, beispielsweise zu der einen oder anderen Gruppe von Schwägern und Schwägerinnen. Diese Bedingungen treffen manchmal zu und führen dann zu großer Liebe und Harmonie zwischen einem Mann und einer
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