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Wie funktioniert die Welt?

Wie funktioniert die Welt?

Titel: Wie funktioniert die Welt? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brockman , Herausgegeben von John Brockman
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gleichermaßen einwirkt). Im Interesse der Vielfalt möchte ich deshalb eine Erweiterung anfügen und meine
lästigste
elegante Lieblingserklärung erörtern: die Quantentheorie.
    Kaum eine Erklärung hat ein weiter gefasstes Anwendungsgebiet als das revolutionäre Gedankengebäude der Quantenmechanik, das im ersten Viertel des 20 . Jahrhunderts zusammengestellt wurde. Warum sind Atome stabil? Warum glühen heiße Gegenstände? Warum kann ich meine Hand durch die Luft bewegen, aber nicht durch eine Wand? Was treibt die Sonne an? Die seltsame Wirkungsweise der Quantenmechanik ist das Kernstück unserer bemerkenswert genauen, quantitativen Kenntnisse über diese und viele andere Phänomene.
    Seltsam sind sie sicher. Ein Elektron nimmt alle Wege zwischen den beiden Punkten, an denen man es beobachtet, und die Frage, welchen Weg es in Wirklichkeit eingeschlagen hat, ist sinnlos. Wir müssen uns damit abfinden, dass man seinen Impuls und seine Position nicht mit beliebiger Genauigkeit kennen kann. Eine Zeitlang sollten wir sogar glauben, dass es zwei verschiedene Gesetze für die Entwicklung der Zeit gibt: Schrödingers Gleichung gilt für unbeobachtete Systeme, aber sobald man eine Messung vornimmt, kommt es zu dem mysteriösen »Zusammenbruch der Wellenfunktion«. Die zuletzt genannte Behauptung mit ihrer beunruhigenden Folgerung, dass bewusste Beobachter für eine grundlegende Theorie von Bedeutung sein könnten, wurde im Nachhinein durch den Begriff der Dekohärenz abgelöst. Licht und Luft in einem Raum, die in der klassischen Theorie kaum Auswirkungen auf die Messapparatur haben, sorgen für eine grundlegende Änderung in der quantenmechanischen Beschreibung jedes Objekts, das nicht sorgfältig von seiner Umwelt abgeschirmt wird. Auch das ist seltsam. Nimmt man die Berechnung aber vor, so stellt man fest, dass man das, was wir früher als Zusammenbruch der Wellenfunktion bezeichnet haben, nicht als eigenes Phänomen postulieren muss. Es ergibt sich vielmehr aus der Schrödinger-Gleichung, sobald wir die Rolle der Umgebung berücksichtigen.
    Nur weil die Quantenmechanik seltsam ist, heißt das nicht, dass sie falsch wäre. Der Schiedsrichter ist die Natur, und viele besonders bizarre Aspekte der Theorie wurden durch Experimente bestätigt. Auch mangelt es der Quantenmechanik nicht an Eleganz: Sie ist ein recht einfaches Gedankengebäude mit ungeheurer Erklärungskraft. Mich stört etwas anderes:
Wir wissen nicht mit Sicherheit, dass die Quantenmechanik falsch ist.
    In der Physik tragen viele große Theorien den Samen ihres Untergangs bereits in sich. Dieser Same ist etwas Schönes. Er weist darauf hin, dass noch tiefgreifende Entdeckungen und begriffliche Umwälzungen vor uns liegen. Eines Tages wird die schöne Erklärung, die gerade erst unsere Sichtweise für das Universum verändert hat, durch eine andere, noch tiefer gehende Einsicht ersetzt. Quantitativ muss die neue Theorie alle experimentellen Erfolge der alten nachvollziehen. Qualitativ jedoch wird sie wahrscheinlich auf neuartigen Begriffen beruhen und damit die Möglichkeit schaffen, bisher unvorstellbare Fragen zu stellen und unvorstellbare Erkenntnisse zu sammeln.
    Newton beispielsweise war beunruhigt darüber, dass seine Theorie der Gravitation die augenblickliche Verständigung über beliebig große Entfernungen möglich machte. Einsteins allgemeine Relativitätstheorie löste dieses Problem und schenkte uns als Nebenprodukte die dynamische Raumzeit, die schwarzen Löcher und ein expandierende Universum, das vermutlich einen Anfang hatte.
    Die allgemeine Relativitätstheorie ist ihrerseits nur eine klassische Theorie. Sie beruht auf der nachweislich falschen Voraussetzung, dass man Position und Impuls gleichzeitig kennen kann. Das mag für Äpfel, Planeten und Galaxien näherungsweise richtig sein – das heißt für große Objekte, für die Gravitations-Wechselwirkungen viel wichtiger sind als für die winzigen Teilchen in der Quantenwelt. Prinzipiell jedoch ist die Theorie falsch. Der Samen ist da. Die allgemeine Relativitätstheorie kann nicht das letzte Wort sein, sondern nur eine Annäherung an eine allgemeinere Quantentheorie der Gravitation.
    Aber wie steht es mit der Quantenmechanik selbst? Wo liegt ihr Same der Zerstörung? Erstaunlicherweise ist bisher nicht zu erkennen, dass es einen solchen Samen gibt. Schon der Name des großen Ziels der theoretischen Physik – die Quantisierung der allgemeinen Relativität – lässt auf die

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