Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)
27.4. wird der Friedrichstadtpalast eröffnet. Vorher ist darüber nichts zu veröffentlichen.Tabu ist die moderne Technik des Palastes«, oder: »Große Vorsicht ist bei der Besprechung des Theaterstücks ›Die wahre Geschichte des AH Q‹ im DT oder ›Der Georgsberg‹ im Maxim-Gorki-Theater geboten. Bei dieser Gelegenheit wird nochmals die besondere Verantwortung der Chefredakteure für die Rezensionen in der Zeitung unterstrichen.« Wahrscheinlich hat es nie so viele treue Feuilletonleser der Gattung Chefredakteure gegeben wie damals in der DDR.
Plötzlich lacht Laabs.Warum lacht Joochen Laabs?
Eine Geschichte ist ihm eingefallen. In seinem Buch »Das Grashaus« gibt es eine Szene, in der sagt die Putzfrau zu Studenten, die trotz der Schließzeit nicht aus der Mensa verschwinden wollten, sie habe das jetzt satt, sie werde sich bei Ulbrichten beschweren. Ja, genau so, bei Ulbrichten. »Neben allen möglichen anderen Einwänden sah sich der Verlagsgutachter genötigt festzustellen, die Bemerkung über W. U. sei höchst überflüssig und müsse raus. Gut, ich habe mich darauf eingelassen, um Wichtigeres zu bewahren.
Ein Jahr später erschien das Buch, so lange dauerte es immer in der Regel, bis es seinen Weg genommen hatte, und siehe, da stand der Satz der Putzfrau wieder drin.Warum? Ganz einfach, in der Zwischenzeit war Ulbricht gestürzt worden. So was ist einem eine Lehre.«
Als nach dem Umbruch auch im ostdeutschen PEN mit den heimlichen Stasi-Mitarbeitern aufgeräumt wurde, mussten neue Vorstände gewählt werden. Und da Laabs sauber war, wurde er plötzlich mehr, als er je hatte werden wollen: Generalsekretär des ostdeutschen PEN-Zentrums und nach dem Fusionskongress von Dresden dann sogar Vizepräsident des gesamtdeutschen PEN: »Ich merkte aber bald, ich bin kein Mann für ein Amt.« Er fing 2001 wieder an zu schreiben und veröffentlichte dann im Steidl-Verlag den Roman »Späte Reise«. Hauptfigur ist ein Ingenieur aus der ehemaligen DDR, der als Gastprofessor in den Vereinigten Staaten umherreist, wo auch Laabs bereits gelehrt hat.
Und wie sieht er den Stand der Einheit? Nun ja, sagt der Fänger der Schatten, der einstigen und der heutigen, nun ja. Es werde immer noch sehr genau getrennt zwischen Ost und West, nur bei den Jungen spiele das keine Rolle mehr. »Wir Alten werden immer unter dem Vorbehalt betrachtet, ob wir östlich verhärtet sind. Es gibt auch literarisch und kulturell keine Einheit. Meine Tochter, die in Paris studiert, ist für ihre französischen Freunde eine Deutsche. Ob die aus dem Osten kommt oder aus dem Westen, das interessiert die nicht.«
Lothar de Maizière hatte bei meiner entsprechenden Frage als kundiger Christ ein biblisches Gleichnis parat und sich dabei auf Moses bezogen. Der habe den Menschen gesagt, es werde vierzig Jahre dauern, bis sie im gelobten Land angekommen sein würden. Nach zwanzig Jahren wollte die Hälfte von ihnen umkehren. Aber sie zogen weiter. Und viele von ihnen kamen an. Was also nütze das Wissen, wann die Lebensverhältnisse in Ost und West ähnlich seien? »Ich bin zufrieden, wenn überall in Deutschland Professoren ihre Studenten nicht mehr nach Ost und West unterscheiden, sondern nur noch nach schlau und doof.«
Kapitel 9
Ruinenbaumeister
Zwar kann ich mir durchaus vorstellen, dass einer der Alten im Konrad-Adenauer-Haus nach einer Strategiesitzung gesagt hat: Leute – oder Freunde? Egal, aber bestimmt nicht: Genossen -, hört mal, wir brauchen noch was Junges. Am besten von denen. Ganz so einfach dürfte es aber wohl doch nicht gewesen sein. Die CDU hat sich wirklich was dabei gedacht, als sie Mario Czaja in die Kommission berief, die »mit Blick auf den 20. Jahrestag des Falls der Mauer« den aktuellen Stand der deutschen Einheit analysieren sollte. Der bereits als Talent auffällig gewordene Jungmann wurde für die Arbeitskreise acht und neun eingeteilt. Bei denen ist eine neue »Ostpolitik« gefragt, denn da geht es um die immer lauter sich gerierenden unlauteren SED-Eliten in der Gegenwart und darum, wie man deren Geschichtsklitterung möglichst treffend kontern könnte.
Durch Aufklärung, schon recht. Angefangen bei den Jungen Ost, auch richtig, Die Alten Ost sind irrelevant.Weil sie sich entweder von den ehemaligen SED-Bonzen nichts mehr vormachen lassen, also aus den Erfahrungen von vierzig Jahren Leben in der DDR ein für alle Mal klug geworden sind. Oder aber, weil sie auch danach nie aufgehört haben, auf die Signale der
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