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Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)

Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)

Titel: Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Jürgs
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Mecklenburg-Vorpommern, das sich Joochen Laabs und seine Frau Daniela Dahn einst günstig für 10 000 Mark kauften, was sie sich gerade leisten konnten, trinken Kaffee, essen Butterkuchen, verscheuchen anfliegende Wespen. Der Weißhaarige setzt die Tasse ab, schaut in die Ferne und sagt, er gehöre zur schreibenden Generation der DDR, die seit der Einheit heimatlos geworden sei. Laabs hat 2007 den renommierten Uwe-Johnson-Preis bekommen, benannt nach dem Heimatlosen aus Mecklenburg-Vorpommern, der so unsterbliche Romane geschrieben hat wie »Mutmaßungen über Jakob« oder »Jahrestage«. Der studierte Diplomingenieur Laabs, der alles weiß über das Verhalten von Stra ßenbahnen in jeder städtischen Kurve, auf jeder geraden Strecke, der erst spät aus Dresden nach Berlin zog und zu schreiben begann, hat vor dem Umbruch von seinen Gedichten und Erzählungen leben können, doch nach 1990 fiel er aus der Zeit.
    Mit dem »Schattenfänger« begonnen hat er 1983. »Ich wollte es auf einen Versuch ankommen lassen, endlich zu schreiben, worum es mir geht, egal nun, ob es veröffentlicht würde oder nicht.« In allen Büchern zuvor hat er zwar versucht, ein bisschen über das übliche Maß hinauszugehen, doch nie zu weit. Er war keiner der üblichen SED-Paladine, aber gehörte auch nicht zu denen, die
sichtbar und hörbar wider den Stachel löckten. Er lavierte sich durch, arrangierte sich im Alltag. Dachte lange, die UdSSR sei der große dogmatische Klotz, der am Bein hängt und einem die Hoffnung nimmt, bis sich zeigte, dass die DDR der Klotz war. »Ich spürte, dass sich etwas verändern musste, und ich nahm mir vor, mich nicht mehr zu verstellen, sondern nur das zu schreiben, wonach mir zumute war.«
    Dass Dichter Ideologie produzieren sollten, als Teil des gesellschaftlichen Gesamtprodukts betrachtet wurden, mit dem Endziel einer sozialistischen Menschengemeinschaft, ist bekannt. Doch den staatsfrommen Dreck wollte niemand wirklich lesen. Im Leseland DDR wurde das staatliche Fernsehen kaum angenommen, nur das Buch und das Radio eröffneten Freiräume. Als schreibenden Anfänger reizte Laabs der Schriftstellerverband, weil er glaubte, die wollten das Gleiche wie er, Literatur schaffen. Eine grobe Täuschung, wie er merkte, denn wenn es hart auf hart kam – und darauf lief es oft hinaus -, hatte stets die Ideologie das letzte Wort.Allerdings war die DDR nicht hermetisch abgeschottet von besseren Worten, »es konnten unerwartete Funde in einem Buchladen gelingen, ich fand in Cottbus John Steinbecks ›Früchte des Zorns‹ und Hemingways ›Der alte Mann und das Meer‹, und auch ›Die Blechtrommel‹ habe ich zehn Jahre nach ihrem Erscheinen gelesen. Es gab, wenn man sich bemühte, Literatur, die man sich zum Maß nehmen konnte.«
    Laabs erinnert sich, es war wohl Ende der siebziger Jahre, an eine Debatte im Schriftstellerverband, als ein junger Autor gefragt hatte, warum denn von Grass in der DDR nichts erscheinen dürfe. Und die Antwort von Höpcke? Solange sich der politisch so verhalte, wie er sich verhält, erscheint nichts von dem bei uns. »Für mich war Literatur dennoch die einzige Möglichkeit, mit dem eigenen Anspruch nicht auf der Strecke zu bleiben. Im Journalismus sich zu bewahren war mir unvorstellbar, im Journalismus gab es keinen Spielraum. Ich war in der DDR keiner, auf den man besonderes Augenmerk hatte.Vielleicht, weil die leisen Töne mehr meine Art sind. So bin ich manchmal unter den
hochschlagenden Wellen durchgetaucht, so gut es ging. Die DDR war einerseits gefüllt mit vielen Momenten der Resignation, andererseits mit porösen Nischen, in die Zuversicht filterte.«
    Zu denen, die keine Nischen hatten und bei jedem Wort, bei jedem Satz mit Argwohn beobachtet wurden, gehörten die Journalisten. Pressefreiheit gab es nicht, die Presse wurde auf den jeweiligen Kurs gepresst, den das Politbüro vorgab. Zuständig für die Einhaltung der Vorgaben war das Presseamt. Die dort tätigen Wortklauberer kümmerten sich nicht nur um das große Ganze, also um die Umsetzung der vorgegebenen Weltsicht, was nicht schwer war, denn Typen wie der Schwarze-Kanal-Geiferer Karl-Eduard von Schnitzler, Schreibtischtäter wie Mitläufer, saßen in jeder Redaktion. Das Presseamt kümmerte sich auch um die Kultur und sorgte in weiser Voraussicht dafür, dass die Tendenz einer Berichterstattung feststand, bevor das Ereignis überhaupt stattgefunden hatte.
    Anweisungen des Presseamtes wie diese von 1984 belegen das: »Am

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