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Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)

Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)

Titel: Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Jürgs
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feststellen, dass der Pegel nie mehr fallen wird. Wer sich mit seiner Arbeit identifiziert und sie verliert, der verliert gleichzeitig seine Identität. Wer nicht mehr gebraucht wird in der grenzenlosen neuen Arbeitswelt, empfindet sich insgesamt als wertlos. Denn ein human factor , ein Faktor Mensch, ein Posten »Menschlichkeit«, taucht in keiner Planung und keiner Bilanz der global players auf. Die sind nur am Faktor Kapital interessiert.
    Es gibt im Osten Deutschlands viele Orte, in denen seit vielen Jahren die Arbeitslosigkeit zweistellig hoch ist, denen es wie Herzberg erging, aber die gibt es längst auch im Westen. Die Enttäuschung im Osten ist jedoch größer, und diese Enttäuschung hat tiefer wirkende politische Folgen. Denn die reale aktuelle Situation wird verglichen mit denVersprechungen, die nach derVereinigung von der Regierung kamen, zum Beispiel die der dort bald blühenden Landschaften, und nicht mit der real hoffnungslosen Lage im System davor. Es geht nicht wie im Westen konkret um unfähige oder gierige Manager wie bei Nokia in Bochum oder bei VW in Wolfsburg oder bei Siemens in Kamp-Lintfort oder bei den Aluminiumwerken in Hamburg. Vielmehr wird gleich das gesamte System der sozialen Marktwirtschaft in Frage gestellt. Es erblüht, weil ja sonst nichts blüht, die Vergangenheit. In diesem Sumpf gedeihen dann Maden in Germany.
    Von denen ernähren sich Populisten, die linken und die rechten. Die einen verherrlichen die sozialistische Vergangenheit, die anderen die nationalsozialistische, als alle Menschen von Staats wegen Arbeit hatten. Sie haben ideologisch zwar nichts miteinander gemein, doch an den jeweiligen Rändern vereinigen sich die Extremisten.Von jeder öffentlich geplatzten Made aus Germany leben heute beide Seiten prächtig. Enthüllte Zumwinkeleien jedweder Art sind messbar in Stimmen, die sie bei Landtagswahlen erreichen.
    Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) legte im Frühjahr 2008 eine Untersuchung vor, nach der jeder vierte Deutsche inzwischen zur »armutsgefährdeten Schicht« gehöre, weil eine über Jahrzehnte die Bundesrepublik bestimmende Mittelschicht mehr und mehr zerbrösele. Daran seien nicht die nach der Einheit fällig gewordenen Kosten und Reformen schuld, sondern die Globalisierung. Die Mittelschicht leide unter Auszehrung, und das stärke wiederum die Ränder. Die Nation gerate in eine soziale Schieflage, und daran werde sich in Zukunft nicht viel ändern lassen.
    Wer hoch qualifiziert ist, findet dank Globalisierung überall auf der Welt einen gut bezahlten Job, wer keine besondere Qualifikation hat, muss sich künftig im Niedriglohnsektor bewegen.Wenn Arbeitsplätze wegfallen, die früher allenfalls einfache Fähigkeiten verlangten, wächst die Schicht der künftig nicht mehr vermittelbaren Langzeitarbeitslosen. Das Wenige, was die mal konnten, braucht niemand mehr. Noch alarmierender sei, sagen die Wirtschaftsforscher, dass die Prozentzahl der Deutschen, die zum gesunden Kern der Mittelschicht gehörten, seit dem Jahrtausendwechsel von 64 auf 56 gefallen ist.Tendenz weiter sinkend.
    Den Deutschen Ost geht es allerdings weniger darum, wie viel sie selbst zum Leben haben oder dass sie, statistisch gesehen, mit weniger Wohnfläche pro Mensch auskommen müssen – 38,6 Quadratmeter gegenüber 44,1 im Westen -, was angesichts so vieler leer stehender Plattenbauten ja ein lösbares Problem wäre. Sie messen sich vielmehr daran, was den Deutschen West trotz aller Massenentlassungen
und Werksschließungen zum Leben bleibt. Weil die Westdeutschen vierzig Jahre lang Zeit hatten, zu sparen und was Eigenes zu bauen, sich einen Grundstock für mögliche Krisen aufzubauen. Fakt ist aber auch, dass trotz nach wie vor doppelt so hoher Arbeitslosigkeit Ost in den Jahren der Einheit das Durchschnittseinkommen ostdeutscher Haushalte fast das der westdeutschen erreicht hat. Es liegt bei 90 Prozent des West-Niveaus. Richtig allerdings ist auch, dass Deutsche, die als wohlhabend gelten oder gar als reich, zu über 95 Prozent im Westen zu finden sind.
    Der Berliner Politikwissenschaftler Klaus Schroeder, der immer wieder in Langzeitstudien die sich verändernde Republik nach der Vereinigung untersuchen ließ – die Geschichtskenntnisse von Schülern in West wie Ost, die soziale Lage der Nation -, sieht die Wurzeln der Unzufriedenheit im Faktor Neid. Den benutzten für ihre Zwecke ebenso die NSDAP im Dritten Reich wie die SED in der DDR – »die Nationalsozialisten

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