... Wie Gespenster in der Nacht
lange mochte er ihr schon zusehen? Und was genau hatte er gesehen?
„Nicht viel“, sagte er, als hätte er ihre Gedanken erraten. Er lächelte nicht. „Du hast dich gut versteckt, Fiona.“
Sie überlegte, ob sie ihn anlügen sollte. Sie könnte ihm sagen, dass sie ins Hotel zurück musste, weil Duncan und Mara sich sonst Sorgen machen würden. Sie könnte auch behaupten, dass sie Frühstück machen wolle und es im Cottage zu kalt sei, um nicht angezogen zu sein.
Doch das hier war Andrew. Er hatte Besseres verdient. Also schwieg sie.
„Hat die letzte Nacht keine Bedeutung für dich?“ Er setzte sich auf. Das Federbett rutschte auf seine Hüften hinunter. Sein Oberkörper war kräftiger und massiver, als ihre Hände ihr in der Nacht verraten hatten. Er war einfach herrlich.
„Die letzte Nacht bedeutet mir alles“, antwortete sie.
„Das glaube ich dir nicht.“ Traurig schüttelte er den Kopf. „Wen habe ich heute Nacht geliebt? Ich weiß genau, wie sie sich angefühlt hat. Sie war weich und anschmiegsam, so weiblich, wie ein Mann es sich nur wünschen kann. Doch heute ist sie nicht mehr da. Vergangen und verblasst, nicht mehr als ein Traum.“
„Andrew …“
„Komm zurück ins Bett. Zieh dich aus und komm zurück zu mir.“
Sie wünschte es sich so. Sehnte sich mit aller Macht danach, dass es nichts ändern würde. Dass er sie mit der gleichen Leidenschaft lieben würde, wenn er sie bei Tageslicht ansah, wie er sie gestern im Schutz der Dunkelheit geliebt hatte. Ihre Hand wanderte wie von allein zum obersten Knopf ihrer Bluse.
Und verharrte.
Er machte es ihr nicht einfacher. Sein Blick lag unverwandt auf ihr, er blinzelte nicht einmal. „Bis du mir nicht vertraust, bis du nicht wirklich weißt, wer du bist, haben wir einander nichts mehr zu sagen.“
Einen Moment lang glaubte sie, sich verhört zu haben. Er hatte ihre Ängste immer verstanden. Andrew hatte sie mehr verstanden als jeder andere Mensch auf der Welt.
„Ja, ich verstehe. Aber ich werde es nicht akzeptieren“, sagte er, als hätte er erneut ihre Gedanken gelesen.
Irgendwo tief in ihr brach Ärger aus, spritzte auf wie Lava aus einem Vulkankrater. „Und wer bist du, dass du für mich entscheiden willst, was ich tue oder nicht tue?!“
Er starrte sie an, bis die Stille ohrenbetäubend wurde. Erst dann brach er das Schweigen. „Ich bin der Mann, der dich lieben wird, Fiona. Und zwar in dem Moment, in dem du anfängst, dich selbst zu lieben.“
16. KAPITEL
An einem warmen Sommermorgen brach Stardust zu ihrer Reise auf die andere Seite vom Serenity Lake auf. Sie verabschiedete sich bei Lockjaw, und der alte Schildkrötenmann wünschte ihr eine gute und sichere Reise. Die Forellen hatten zu große Angst, um sich persönlich von ihr zu verabschieden, aber sie winkten ihr mit den Flossen aus sicherer Entfernung zu. Die Aale bildeten mit ihren gelenkigen Körpern die Worte: „Viel Glück“.
Schnell erreichte Stardust die Grenze des Grabens, wo der Seegrund steil abfiel. So weit war sie noch nie geschwommen, und fast wäre sie wieder umgekehrt. Dann jedoch dachte sie daran, wie einsam sie war. Sogar ihre Fantasie hatte sie allein gelassen. Und Stardust wusste, dass sie auf die andere Seite schwimmen musste, selbst wenn Lockjaw sich vielleicht irrte und dort gar keine anderen Wasserdrachen auf sie warteten. Das Wasser war so tief und so dunkel, aber sie musste es einfach wagen.
E ine nette kleine Kirche. Aber ich überlege mir inzwischen, ob ich demnächst nicht lieber den Sonnengott anbete. Falls die Sonne je wieder scheinen sollte.“ Duncan ging Seite an Seite mit Iain durch das Mittelschiff der Dorfkirche.
Andrew wartete bereits vorn auf sie, sortierte Unterlagen auf dem Pult, das für die Versammlung vorbereitet worden war. Auf der Kanzel hätte er sich mehr als unwohl gefühlt. Also hatte der hilfsbereite Pfarrer, besorgt über das Schicksal seiner Gemeinde, das schlichte hölzerne Pult aus seinem Arbeitszimmer zur Verfügung gestellt.
„Keine Predigt, Andrew?“ Iain deutete mit dem Kopf zu dem erhöhten Altar in der Ecke. „Dabei hatte ich mich schon darauf gefreut, dich predigen zu hören.“
„Ich glaube, noch bevor der Abend vorüber ist, wirst du mehr Predigten zu hören bekommen, als dir lieb ist.“ Andrew stieß an der ersten Bankreihe zu ihnen.
„Meinst du, es werden viele sein?“, fragte Iain.
„Ich denke, es wird jeder kommen, den es betrifft – also die, die verkaufen wollen, und die, die sich noch
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