... Wie Gespenster in der Nacht
soll nichts Großes werden – nur ein Ort, an dem die Traditionen und die Geschichte der Highlands vermittelt werden.“
„Was für eine wunderbare Idee! Wann willst du damit anfangen?“
„Wenn Duncan und ich unser Haus fertig gebaut haben.“
Auch das war eine überraschende Neuigkeit. „Ein Haus? Hier?“
„Nach dem Tee zeige ich dir das Grundstück. Wir haben es schon entworfen und geplant. Und wenn alles so läuft, wie wir es uns vorstellen, können nächsten Sommer die ersten Kinder in der Schule unterrichtet werden.“
„Dann werdet ihr hier leben und nicht im Hotel?“
„Ich denke, wir werden mehr oder weniger an beiden Orten leben – im Sommer hier und im Winter im Dorf. Aber dann sind wir flexibel. Sosehr ich das Hotel auch mag – ich genieße die Ruhe hier. Ich neige nun mal dazu, mich von Zeit zu Zeit auf dem Land zu verkriechen.“
Fiona war aufgefallen, dass Mara sich öfter in ihr Cottage zurückzog, vor allem, wenn das Hotel sehr voll war. „Du magst die Ruhe, nicht wahr?“
Einen Moment lang sagte Mara nichts, und Billie spielte mit ihrer Teetasse. Endlich brach Mara das Schweigen.
„Fiona, da gibt es etwas, das du über mich wissen solltest. Ich habe es dir bisher nicht gesagt, weil … nun, weil es sich so fantastisch und unglaubwürdig anhört.“
„Unglaubwürdig?“
„Manchmal sehe ich die Zukunft voraus.“
Fiona runzelte die Stirn, nicht sicher, was Mara damit meinte.
„Manchmal?“, schaltete Billie sich sofort ein. „Manchmal?!“
„Also gut … öfter.“ Mara lächelte, als Billie unwillig den Kopf schüttelte. „Na schön, Billie. Ziemlich oft. Ist das besser?“
„Sie sieht die Zukunft so oft vor sich, wie wir anderen den gestrigen Tag vor uns sehen“, stellte Billie richtig.
„Und du hast natürlich nie Kontakt mit Dingen gehabt, die wir anderen nicht sehen können, was?“, neckte Mara. „Bin ich etwa die Einzige, deren Sicht etwas überentwickelt ist?“
„Ich habe nie in die Zukunft schauen können. Ich sehe nur … nun, andere Sachen, eben.“
„Andere Sachen nennst du das also, aha. Wie Episoden aus dem Leben von Leuten, die seit achthundert Jahren tot sind?“
„Momentchen mal.“ Fiona lehnte sich vor, ihr schwirrte der Kopf. „Wollt ihr beide ernsthaft behaupten, ihr hättet … äh … Erfahrung mit parapsychologischen Fähigkeiten?“ Es klang gestelzt, aber wie sollte man es sonst ausdrücken?
„Um offen zu sein … ja“, antwortete Mara unverblümt. „Mir ist natürlich klar, dass sich das verrückt anhört. Du musst uns für schrullig halten, um es harmlos auszudrücken. Aber mein Leben lang sind Bilder aus der Zukunft in meinem Kopf aufgeblitzt. Weder kann ich es erklären, noch habe ich darum gebeten. Doch viel zu oft kann ich fühlen, was jemandem in der Zukunft passieren wird. Eine Tatsache, mit der ich zu leben gelernt habe. Wenn es zu anstrengend wird, komme ich hierher. Bis jetzt ist es noch nie vorgekommen, dass ich das Schicksal eines Schafs oder Vogels voraussagen konnte. Hier kann ich mich entspannen.“
„Und du, Billie?“ Fiona schaute zu ihr hin.
„Oh, bei mir ist es nichts derart Anspruchsvolles“, antwortete die Angesprochene. „Ich hatte nur einen kleinen Zusammenstoß mit einem mittelalterlichen Fluch. Aber das ist jetzt glücklicherweise beigelegt.“
Fiona setzte sich zurück und starrte von einer zur anderen. „Tja.“ Mehr fiel ihr dazu nicht ein, was sie sagen könnte.
„Mir schien es richtig, dich vorzuwarnen“, meinte Mara.
„Heißt das, wenn du mich ansiehst, dann …?“
„Nein. Nur sehr, sehr selten kann ich die Zukunft eines Menschen sehen, den ich liebe.“
Wärme durchströmte Fiona. „Danke.“
Mara stand auf, um das kochende Wasser in die Teekanne zu gießen, und Billie strich Butter auf den Haferkuchen. „Aber ich habe ein Gefühl, was deine Zukunft angeht“, sagte Mara. „Keine Vision, nur ein Gefühl.“
„Und zwar?“, wollte Fiona wissen.
„Billie und ich, wir beide kamen hierher, um unsere Vergangenheit hinter uns zu lassen. Uns beiden ist es gelungen – das wird es dir auch.“
Fiona dachte darüber nach. Sie hatte sich so oft als Außenseiterin gefühlt. Und jetzt war sie mit offenen Armen aufgenommen worden, als wäre es nie anders gewesen. Die beiden Frauen hatten ihr völlig selbstverständlich einen Platz in ihrer freundschaften Mitte eingeräumt – zwei Frauen, die sie überaus bewunderte. Es waren starke, selbstbewusste Frauen, trotz der Prüfungen,
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