... Wie Gespenster in der Nacht
weiß nicht, was sie dazu bewegt hat, nach all den Jahren hierher zurückzukommen. Du weißt, dass sie meinen Vater nach dem Feuer nie wiedergesehen hat, nicht wahr? Sie hat Schottland nie wieder besucht, selbst als die Ärzte ihr sagten, sie sei kräftig genug für die Reise. Lange ging sie nicht aus dem Haus, nicht einmal zur Schule. Den größten Teil ihrer Kindheit hat sie Privatunterricht zu Hause erhalten. Danach besuchte sie eine kleine Privatschule und später das College. Sie ging morgens aus dem Haus und kam nachmittags immer pünktlich zur selben Zeit nach Hause. Nie hat sie irgendetwas unternommen, war in keinem Verein, hatte nicht einmal Freunde, mit denen sie ihre Freizeit verbrachte.“
„Und was hat das alles mit mir zu tun?“
„Ich weiß nicht, was Fiona den Anstoß gegeben hat, ihre Meinung zu ändern. Ich hätte nie damit gerechnet, dass sie zurückkommt, und ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass sie hier ist. Und ich möchte nicht, dass irgendetwas sie so verschreckt, dass sie wieder geht. Emotional ist sie noch immer ein dreijähriges Kind. Alles, und ich meine wirklich alles, könnte sie wieder in ihr Schneckenhaus zurückscheuchen.“
Andrew nippte an seinem Whisky, schaute Duncan dabei über den Glasrand hinweg an. Er ließ sich Zeit, obwohl er zuerst derjenige gewesen war, der gedrängt hatte, das Gespräch voranzutreiben. Vorsichtig setzte er das Glas auf den Tisch zurück. „Und du glaubst“, sagte er schließlich ebenso vorsichtig, „dass ich sie erschrecken könnte, Dunc? Du glaubst, ich würde sie den ganzen langen Weg nach Amerika zurückjagen?“
„Soviel ich weiß, hat sie keinerlei Erfahrung mit Männern, nicht die geringste. Und weder kennt sie dich, noch kann sie dich verstehen.“
„Was gibt es da zu verstehen?“
„Andrew, du bist ein Mann, der Frauen liebt, der Frauen wirklich mag. Nicht alle Männer tun das, und nicht alle Männer verstehen Frauen oder machen sich überhaupt die Mühe, sie zu verstehen. Aber du tust es. Du bist offen, warmherzig und freundlich zu jeder, die du triffst, angefangen bei Sheila MacClaskeys neugeborenem Baby bis hin zu der alten Flora Daniels.“
„Willst du damit sagen, dass ich leichtfertig bin?“
Duncan kniff die Augen zusammen. „Fiona kennt dich nicht. Sie versteht vielleicht nicht, dass du jede gleich behandelst. Und dass es selbst, wenn du jemandem besondere Aufmerksamkeit zuteil werden lässt, nie von Dauer ist.“
„Also anspruchslos und unbeständig?“
„Na schön, dann werde ich direkter: Ich habe dich und Fiona zusammen gesehen, am Tag ihrer Ankunft. Und ich habe ihre Reaktion auf dich gesehen. Sie könnte mehr von dir erwarten, als du zu geben bereit bist. Und ich will nicht, dass sie verletzt wird. Ich will nicht, dass sie je wieder verletzt wird.“
„Dann würde ich dir raten, sie am besten in Maras dicksten Fleece einzuwickeln, um sie zu schützen. Sperr sie in ein Zimmer, in dem es keine scharfen Kanten gibt, am besten in einem Land, in dem man kein Feuer kennt. Achte darauf, dass sie keinen Besuch empfängt, denn Besucher könnten Krankheiten einschleppen – oder noch schlimmer: Aufregung in ihr Leben bringen. Das ist nicht gut fürs Herz …“
Mit einem dumpfen Laut setzte Duncan sein Glas auf dem Tisch ab. „Hör auf mit dem Schwachsinn!“
Andrew setzte die vorderen Stuhlbeine wieder auf den Boden, sehr langsam, sehr leise. „Sie ist keine Dreijährige mehr, Dunc, sondern eine Frau. Das hat sie gezeigt, indem sie herkam. Ich werde ihr nicht aus dem Weg gehen, nur um dir einen Gefallen zu tun oder dich zu beruhigen. Ich werde nicht tun, was ihr alle ihr ihr ganzes Leben lang angetan habt: Ich werde sie nicht vor dem Leben abschotten. Aber du weißt – oder solltest es wissen –, dass ich sie nicht verletzen werde. Ich kann nur ansatzweise ahnen, was für ein Tumult in dir toben muss, dass du überhaupt auf eine solche Idee kommst!“
Duncans Wangenmuskeln arbeiteten, seine Augen hatten die Farbe von Stahl angenommen. „Ich behaupte auch nicht, dass du es mit Absicht tun würdest.“
„Was willst du dann sagen? Dass ich zu plump und taktlos bin, um mich zu beherrschen? Dass du der Einzige im ganzen Dorf bist, der sich um sie kümmert und weiß, was das Beste für sie ist? Fiona hat das Leben einer Nonne geführt … nein, nicht einmal das stimmt. Eine Nonne hat ihre vielen Klosterschwestern um sich herum, Fiona hatte nur deine Mum. Und soweit ich mitbekommen habe, hat sie
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