... Wie Gespenster in der Nacht
du, ihr Land an Fremde verkaufen, um dann mit dem Geld irgendwohin zu gehen, wo sie eigentlich gar nicht leben will?“
„Komm schon, Andrew, so schwer ist das doch nun wirklich nicht! Dafür muss man wirklich nicht Hercule Poirot oder Miss Marple sein! Meine Mädels wollen dieses Haus nicht. Die eine ist in London, die andere in Paris, und die dritte lebt in Aberdeen. Ich bin zu alt, um mich um die Cottages kümmern zu können. Und warum sollte ich auch? Damit meine Mädels sich über das Erbe freuen, wenn ich sterbe? Nein, da verkaufe ich es doch lieber selbst. Ich ziehe nach Spanien. Oder Portugal. Ich habe mich noch nicht genau festgelegt. Da kann ich den ganzen Tag in der Sonne sitzen, wenn ich Lust dazu habe. Und wenn ich sterbe, ist immer noch genug Geld übrig, dass die Mädels es unter sich aufteilen können. Nicht, dass sie es brauchen würden, keine von den dreien.“
Andrew schwieg. Er hatte genau verstanden, was sie gesagt hatte – und auch das, was sie nicht gesagt hatte. Kaye stand mit dem Rücken zur Wand. Sie hatte zu wenig Kapital, um die nötigen Renovierungen vorzunehmen, und ihr fehlte die Kraft, um so weiterzumachen wie bisher. Sie hatte sich selbst davon überzeugt, dass unbegrenzter Sonnenschein den Verlust eines lebenslangen Freundeskreises und eines stolzen Familienerbes aufheben würde. Mitleid erfüllte ihn – ein Gefühl, das Kaye empört zurückweisen würde.
Außerdem blieb da immer noch eine offene Frage.
„Also gut. Nehmen wir mal an, es gibt keine andere Lösung. Du bist also eines Morgens aufgewacht und hast beschlossen zu verkaufen. Aber warum an Carlton-Jones und Surrey? Iain hat doch jeden wissen lassen, dass er das Land um den See aufkauft, wenn jemand unbedingt verkaufen will. Er hat immer wieder vor den Fremden gewarnt, die heimlich, still und leise Grundstück um Grundstück hier aufkaufen, bis Druidheachd nicht mehr Druidheachd ist, sondern nur noch ein Urlaubsort für die Reichen.“
„Dein Freund Iain hat wohl seine ganz eigenen Gründe, warum er mein Land haben will.“
„Und die wären?“
„Er will alles, oder etwa nicht? Es reicht ihm nicht, dass er schon den größten Teil der Gegend hier geerbt hat, er will den Rest auch noch haben. Das Dorf, den See … Was glaubst du denn, was seine Gründe sind?“
Andrew zwang sich, ruhig zu bleiben und gelassen zu sprechen. „Ich glaube, er will das Dorf und die Gegend, die er liebt. beschützen. Ich glaube, er will die Lebensart hier erhalten, die sich nur langsam und Schritt für Schritt verändern sollte.“
„Er ist gierig, dein Lord! Nur deshalb will er alles Land haben!“
Andrew hielt sich eisern zurück; schließlich kannte er diese Frau von Kindesbeinen an. „Carlton-Jones und Surrey haben dir mehr angeboten, als das Land wert ist, oder etwa nicht, Kaye? Mehr als Iain dir geboten hätte. Siehst du denn nicht, wie sie vorgehen, Kaye? Sie bieten dir für dein Grundstück einen Preis, der weit über Marktwert liegt, und beim nächsten machen sie es genauso. Und dann, wenn sich hier alles erst so sehr verändert hat, dass niemand mehr hier leben will, kaufen sie das restliche Land für einen Spottpreis auf, für die Hälfte oder sogar nur ein Drittel des Wertes.“
Sie schnaubte. „Sie haben mir mehr gezahlt, als ich mir je erhofft hatte! Aber nicht, weil sie einen Plan verfolgen wie den, den du da gerade beschrieben hast. So clever sind die nicht, Andrew! Sie haben mir diesen Preis geboten wegen der Erscheinung. Verstehst du denn nicht? Sie glauben, dass wir hier ein zweites Loch Ness haben. Sie kennen unser Seeungeheuer ja nicht. Sie ahnen ja nicht, dass sie sich nur selten zeigt. Und bis sie dahintergekommen sind und die Touristen wieder weg sind, bin ich auch weg. Mit ihrem Geld!“
Er hörte die Bitte um Verständnis und Akzeptanz, doch er konnte nur mit dem Kopf schütteln. „Das sind keine naiven Trottel, Kaye. Das sind genau die Männer, vor denen Iain schon vor langer Zeit alle gewarnt hat. Mein Darling hat nichts mit ihrer Gier zu tun.“
„Bist du etwa genauso geworden wie deine Freunde, Andrew? Duncan Sinclair gehört das einzige Hotel im Dorf und Iain Ross der größte Teil des Umlands. Bist du jetzt etwa auch gierig geworden? Wollt ihr drei die absolute Kontrolle über alles haben, was hier abläuft? Geht es darum?“
Einen Moment lang verschlug es ihm die Sprache. Wut schäumte jäh in ihm auf. Er atmete tief durch und drängte sie Stück für Stück zurück. „Kaye“, sagte er
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