Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)
weil ich verweigerte. Er sagte nur: »Sprich mit keinem darüber. Ich regle das.« Vierzehn Tage später bekam ich eine Aufforderung, zum Wehrkreiskommando zu kommen, wo derselbe Mensch, der mich dort angeschrien hatte, plötzlich sagte: »Warum haben Sie uns denn nicht gleich gesagt, dass Sie eine wichtige Aufgabe im kapitalistischen Ausland haben? Wir auf der unteren Ebene haben doch jedes Verständnis für so wichtige Dinge.« Ich hatte tatsächlich ein Engagement in Belgien, und dieser Intendant hatte das als Argument benutzt, mich freizustellen.
H ILDEBRANDT: Woher hast du denn erfahren, dass er für die Stasi arbeitete?
E NSIKAT: Auf den Verdacht kam ich viel später, 1983, da war ich längst nicht mehr am Theater, sondern arbeitete als freischaffender Autor. Er rief mich an und fragte, ob ich mal bei ihm vorbeikommen könne, wir hätten doch so ein gutes Verhältnis. Ich ging also zu ihm, und wir sprachen über meine Arbeit fürs Kabarett. Da fragte er mich, ob es mir öfter passierte, dass Nummern von mir verboten würden. Worauf ichsagte: »Na klar, daran sehe ich ja, dass ich Kabarett mache.« Das fand er sehr lustig und sagte dann: »Aber du weißt schon, dass es da auch Grenzen gibt. Und du weißt doch bestimmt auch, weshalb ich dich herbestellt habe.« Ich: »Nein, wieso?« – »Du hast einen Text geschrieben, in dem Mielke vorkommt, oder?« – »Ja«, sagte ich, »mit dem Text gab’s großen Ärger.« Worauf er nun sagte: »Also, pass auf. Wenn es hier für dich so schrecklich ist, dann kannst du doch einfach rübergehen in den Westen. Das mit der Familie, das lässt sich regeln.«
H ILDEBRANDT: Der hat dir die Ausreise angeboten?
E NSIKAT: Genau das hat er. Ich habe es zuerst gar nicht zusammengebracht. Als ich es unten in der Kantine den alten Kollegen erzählte, sagten die zu mir: »Der hat dir die Ausreise angeboten. Und rate mal, in wessen Auftrag.« Nach der Wende schrieb ich in meinem ersten Buch die Geschichte auf und die Vermutung, dass er das im Auftrag von Mielke persönlich getan hätte. Daraufhin rief er mich an und bat mich wieder zu sich, jetzt zu sich nach Hause. Er war ja lange nicht mehr Intendant, er war schon zur DDR-Zeit abgesägt worden und hat dann als Fremdenführer gearbeitet. Jetzt also besuchte ich ihn, und er sagte: »Ich habe dein Buch gelesen. Und es stimmt, ich habe für die Stasi gearbeitet. Ich war OibE.« Er hat also den Verdacht bestätigt, aber ich konnte ihm eigentlich nichts übelnehmen.
H ILDEBRANDT: Wieso denn nicht? Der hat doch für die Stasi gearbeitet.
E NSIKAT: Das hat er. Aber da gab es eben so ’ne und solche. Vor kurzem ist er gestorben, und ich war bei seiner Beerdigung. Danach saßen wir zusammen, die ganzen alten Kollegen, die Schauspieler vom »Theater der Freundschaft«. Und jeder konnte von ihm irgendeine Geschichte erzählen, in der er geholfen hat. Er hat wirklich viele Leute, die in Schwierigkeiten geraten sind, irgendwie rausgehauen – so wie mich damals bei der Sache mit der Verweigerung. Oder eine Kollegin, die einen Ausreiseantrag gestellt hatte. Sie ist letztlich mit seiner Hilfe in den Westen gekommen.
H ILDEBRANDT: Das wärst du ja auch beinahe.
E NSIKAT: Der Unterschied war nur: Ich wollte nicht. Ich fand das Angebot empörend und habe ihm gesagt: »Ihr müsst mich schon rausschmeißen. Freiwillig gehe ich nicht.« So was gibt einem natürlich ein großes Gefühl: Die wollen mich loswerden, aber ich gehe nicht.
H ILDEBRANDT: Da warst du fast schon ein Biermann.
E NSIKAT: Oh nein. So überzeugt von meiner Wichtigkeit war ich dann doch nicht.
MEINUNGSFORSCHER ÜBERALL
H ILDEBRANDT: Soll ich dir mal meine Begegnung mit euren Geheimdienstlern erzählen?
E NSIKAT: Da bin ich gespannt.
H ILDEBRANDT: Wir waren in Ost-Berlin bei einem Mann zu Besuch, der war Chemiker, ein Intellektueller. Bei ihm standen diese ganzen verbotenen Bücher in der Wohnung. Da saßen wir, Gerhard Polt, Rainer Otto und Siegfried Mahler, er und sein Sohn, und es war ein fröhliches Saufen und Fressen und Gerede. Auf einmal machte der Sohn zum Vater, der am anderen Ende des Tisches saß, Zeichen, die offensichtlich bedeuteten, dass wir abgehört wurden. Draußen vorm Haus stand tatsächlich ein Auto von der Stasi. Von da an sprachen wir ganz leise.
E NSIKAT: Das ist so merkwürdig. Wenn ein Westler von seinen Besuchen in Ost-Berlin erzählt, kommt immer die Stasi vor.
H ILDEBRANDT: Das liegt vielleicht daran, dass es die Stasi gab.
E NSIKAT: Ich hab
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