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Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Titel: Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ensikat , Dieter Hildebrandt
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kam?
    E NSIKAT: Kann ich nicht. Hast du mir schon damals nicht geglaubt. Wir fragten dich dann oft, wo hast du das her, was du uns erzählst. Und da sagtest du dann meist: »Das weiß ich von meiner Cousine aus Thüringen.«
    H ILDEBRANDT: Da muss ich jetzt einschreiten. Erstens hatte ich nicht nur die eine Cousine in Thüringen,und ich will die auch nachträglich gar nicht belasten. Die ganze DDR war voller Verwandter von mir. In mehreren Brandenburger LPGs hatte ich Verwandte, die da Kartoffeln gelegt und Säue gemästet haben. Meine Cousine in Thüringen …
    E NSIKAT: Die hast du jedenfalls immer als Hauptzeugin genannt. Vor etwa fünf Jahren, es war bei Renates Geburtstag, saß ich zufällig …
    H ILDEBRANDT: Neben meiner Frau Renate?
    E NSIKAT: Nein, neben deiner Cousine aus Thüringen.
    H ILDEBRANDT: Die heißt Margarete.
    E NSIKAT: Jedenfalls hab ich sie gefragt: »Sagen Sie mal, was haben Sie dem Dieter denn damals über die DDR erzählt?«
    H ILDEBRANDT: Da hatte sie auch dieses Lächeln …
    E NSIKAT: Nein, sie hat abgewinkt. »Hören Sie auf! Dem konnte man erzählen, was man wollte. Sein DDR-Bild stand fest.«
    H ILDEBRANDT: Das kann sie nicht erzählt haben. Sie war ja eine kluge Frau.
    E NSIKAT: Vielleicht gerade, weil sie das war.
    H ILDEBRANDT: Ich erinnere mich an ganz andere Gespräche. Aber so ist das. Wenn einer dich etwas Wichtiges fragt, sag ihm nie die ganze Wahrheit – sie könnte auf dich zurückfallen.
    E NSIKAT: Das Problem ist vielleicht, dass wir meinen, dieselbe Sprache zu sprechen, weil wir dieselben Wörter benutzen, und deshalb meinen, übereinanderBescheid zu wissen. Ich hatte zu DDR-Zeiten sehr gute Freunde, Journalisten vom Stockholmer Rundfunk, von denen ich viel über diese DDR erfahren habe, was nur sie mit ihrem Blick von außen gesehen haben. Sie fragten gewöhnlich aber: »Ist das so?« Von euch kam immer nur: »So ist das nämlich!«
    H ILDEBRANDT: Weißt du, Peter, ich vermute da ein kleines Missverständnis bei dir. Du glaubst, du stammst aus dem Volk dieser DDR, dieses Arbeiter-und-Bauern-Staates. Du warst aber immer ein Intellektueller. Meine Cousine stammte wirklich aus dem Volk. Die wusste mehr als du.
    E NSIKAT: Genau das Argument kenne ich von der SED. Das Volk weiß die Wahrheit, während wir Intellektuellen …
    H ILDEBRANDT: So ist es aber. Ihr wart doch ein Klüngel. Ihr habt doch immer weiter die Wahrheit über die DDR verkündet, auch als es sie gar nicht mehr gab. Ich erinnere mich, wie du mich in diese Kneipe im Prenzlauer Berg geführt hast. Es war Mitte oder Ende der neunziger Jahre. Du kanntest sie alle, die da saßen.
    E NSIKAT: Als ich da zum ersten Mal hinkam, haben die mich genauso angesehen wie dich dann. Die hatten mich für einen Westler gehalten.
    H ILDEBRANDT: Das waren Leute, alles verhinderte Genies, aber nicht wegen der Mauer, die sind durch den Fall der Mauer zu verhinderten Genies geworden.
    E NSIKAT: Das kann ich nicht bestreiten, auch wenn es nicht für alle stimmt, die du da gesehen hast.
    H ILDEBRANDT: Die begrüßten mich aber alle mit diesem Lächeln, als ich da reinkam.
    E NSIKAT: In der DDR musste man nichts beweisen, um ein verhindertes Genie zu sein. Es gab da diesen ziemlich typischen Witz über den Stotterer, der sich als Nachrichtensprecher bewirbt, aber nicht genommen wird, »w-w-weil ich n-n-nicht in d-d-der P-p-partei bin«.
    H ILDEBRANDT: Den gab es 1945 auch in München. »D-d-die haben mich beim Bayrischen R-r-rundfunk nicht genommen, bloß weil ich Nananazi war.«
    E NSIKAT: Die Dinge wiederholen sich.
    H ILDEBRANDT: Wahrscheinlich gab’s den schon zu Zeiten der Französischen Revolution als Jakobiner-Witz.
    E NSIKAT: Das ist der Vorteil einer Diktatur. Da kannst du immer sagen: »Ich würde, ich könnte, aber ich darf ja nicht.« Wenn du dann in die Freiheit kommst, und man sagt dir: »Nun mach doch!«, dann musst du erst mal feststellen, was du alles nicht kannst.
    H ILDEBRANDT: Das setzt sich auch in funktionierenden, halbwegs funktionierenden Demokratien fort. Überall, wo es Hierarchien gibt. Ich habe mit einem mir sehr gewogenen Programmdirektor des damaligen SFB gesprochen, dem ich auch gewogen war. Der erzählte: »Meine Redakteure sagen immer, sie würden ja gern, aber man lasse sie nicht. Wenn ich dann zuihnen gehe und sage: ›Machen Sie doch!‹, dann fällt ihnen selten etwas ein, weil ja bestimmt wieder jemand was dagegen haben könnte.«
    E NSIKAT: Vieles von dem, was wir für DDR-typisch gehalten haben,

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