Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)
nur meine leisen Zweifel, dass sie für jeden von euch Mitarbeiter übrig hatten.
H ILDEBRANDT: Sie hatten Hunderttausende. Da wird doch wohl einer für uns übrig gewesen sein.
E NSIKAT: Ganz sicher. Ich will dir auch deine Stasi-Erfahrung nicht ausreden.
H ILDEBRANDT: Das würde ich mir auch verbitten! Als wir nach Hause fuhren, folgte uns dieses Auto, das bei dem Chemiker vor dem Haus gestanden hatte. Und wir hatten das Gefühl, in einer riesengroßen Angelegenheit tätig gewesen zu sein. Wir sind überwacht worden! Da fühlt man sich doch wichtig.
E NSIKAT: Das hatten wir alle Tage.
H ILDEBRANDT: Na gut. Vielleicht waren sie’s nicht. Vielleicht war’s auch einer von der Post. Oder einer vom Fernsehen. Der wollte mich engagieren. Aber er hat mich nicht gekriegt!
E NSIKAT: Nach dem Mauerfall entdeckten auf einmal die ganzen Freunde und Verwandten aus dem Westen die Stasi für sich. Sie waren fest überzeugt, immer beobachtet worden zu sein, wenn sie bei uns waren. Zu DDR-Zeiten haben sie es irgendwie nicht gemerkt.
H ILDEBRANDT: Für mich kann ich sagen, dass ich mich schon immer beobachtet fühle, seit vielen Jahren. Wir haben immerhin den BND und den Verfassungsschutz. Ich gucke immer, ob einer mich verfolgt, und ich denke, es knackt im Telefon. Außerdem hat man mir gesagt, die verkaufen meine Daten an Datenhändler. Mein Geburtsdatum!
E NSIKAT: Ich glaub ja, das macht nicht der BND undnicht der Verfassungsschutz, sondern das tun diese Meinungsforscher. In der DDR war allerdings die Stasi das Meinungsforschungsinstitut.
H ILDEBRANDT : Und böse war sie nur, wenn sie geforscht hat und es kam eine andere Meinung raus als ihre.
E NSIKAT: Ja, da konnten sie sehr böse werden. Während die Meinungsforscher heute gar nicht mehr Meinungen erforschen, sondern Konsumverhalten.
H ILDEBRANDT: Den Verdacht hab ich auch. Und das enttäuscht einen dann schon: Die überwachen mich gar nicht richtig.
E NSIKAT: Für viele DDR-Bürger war es ja die größte Enttäuschung nach der Öffnung der Stasi-Akten, dass sie selbst keine hatten. Dabei konnten sie sich doch noch genau erinnern: »Damals mit Tante Erna, da hab ich nie ein Blatt vor den Mund genommen. Und die waren doch überall!« Sie waren eben nicht überall.
H ILDEBRANDT: Ich weiß übrigens genau, dass ich im Westen mal drei Monate lang überwacht worden bin, weil ich den »Krefelder Appell« unterschrieben hatte. Daran siehst du, wie tätig unser Verfassungsschutz immer war: Er wusste, dass ich so eine öffentliche Erklärung unterschrieben hatte.
E NSIKAT: Der »Krefelder Appell«, das war doch irgendwas mit Atomwaffen.
H ILDEBRANDT: Das war Anfang der Achtziger und richtete sich gegen den NATO-Doppelbeschluss, gegen das atomare Wettrüsten. Unterschrieben haben alleVerdächtigen, die ganze Liste, und ich bei »H« wieder mittendrin.
E NSIKAT: Vor dir und hinter dir all diese Unterschriftsteller.
H ILDEBRANDT: Gefährliche Menschen! Die musste der arme Verfassungsschutz nun alle beobachten. Wenn wir in diesen Monaten Anrufe kriegten, machte es dann immer »Krrrrk«.
E NSIKAT: Das hörte man bei euch auch, wenn sie euch abhörten? Ich dachte, ihr wärt technisch weiter gewesen. Wenn es bei uns in der Leitung »Knack« machte, sagten wir: »Genossen, haltet die Drähte zusammen!« Oder: »Soll ich noch mal wiederholen, zum Mitschreiben?« Wir meinten ja immer, abgehört zu werden. Ich glaube allerdings, dass unser altes Telefonnetz die Knackgeräusche auch ohne Abhöranlagen zustande bekam.
H ILDEBRANDT: Als Geheimdienstler in der DDR hätte ich aber auch gesagt: »Dieser Ensikat muss überwacht werden. Der könnte ja jeden Moment was Gefährliches schreiben.«
E NSIKAT: Das ist eben der Vorteil so einer Diktatur. Du bist viel wichtiger. In der Demokratie heißt es: »Der sagt was? Soll er reden.« Du kannst dir nicht sicher sein, dass dir einer zuhört. Wir konnten uns da sicher sein.
ZWISCHEN DEN STÜHLEN IST VIEL PLATZ
H ILDEBRANDT: Ich war ein Kriegskind, bin praktisch in der Hitlerzeit erzogen worden und musste völlig umlernen. Was ich sehr schnell getan habe. Gelesen habe ich, alles nachgelesen – und war ganz automatisch auf der linken Seite. Aber Kommunist war ich nie, weil ich mich über die Geschichte des Kommunismus sehr geärgert habe.
E NSIKAT: Es ist ja weniger die Idee als vor allem die Geschichte, die gegen ihn spricht.
H ILDEBRANDT: Mein Gott, was hätte daraus werden können, wenn Kommunisten und Sozialdemokraten aufeinander
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