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Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Titel: Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ensikat , Dieter Hildebrandt
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zugegangen wären, eine große Koalition gegen die Nazis gebildet hätten! Das ganze Unglück wäre vermutlich nicht passiert. Natürlich machte ich den Sozialdemokraten den gleichen Vorwurf. Die hatten ja den gleichen Fehler gemacht. Aber zu den Sozialdemokraten zog es mich doch mehr, weil das eine liberale Partei ist, weil sie für die Freiheit, auch die Pressefreiheit, ist und nicht immer recht hat. Da waren dann noch ein paar Dinge mehr, die für sie sprachen.
    E NSIKAT: Dass die SPD zum Beispiel gegen die Wiederbewaffnung war.
    H ILDEBRANDT: Damit kam ich automatisch in ihre Nähe.
    E NSIKAT: Aus der Entfernung heraus ging es mir ganz ähnlich. Ich habe die Bundesrepublik ja zunächst nur über die Medien wahrgenommen. Aber deine Gründe waren ungefähr auch meine Gründe. Ich habe mich ja auch lange nicht abfinden mögen mit der Teilung. Ich habe immer wieder gehofft, dass das doch wieder zusammengehen könnte.
    H ILDEBRANDT: Hab ich auch gedacht.
    E NSIKAT: Die Erste, die mir sagte, dass das vorläufig nichts wird, war meine Klassenlehrerin: »Die wollen uns gar nicht. Der Adenauer hat uns aufgegeben.«
    H ILDEBRANDT: Das stimmte ja auch. Das war’s doch, was uns erbittert hat.
    E NSIKAT: Wir waren einfach abgeschrieben. Da waren sich ja übrigens Adenauer und Ulbricht ungeheuer einig. Jeder wollte nur seins oder das Ganze für sich.
    H ILDEBRANDT: Die Sozialdemokraten wollten ganz früh die Einheit. Den Schumacher, der ein Sozialdemokrat im besten Sinne war, haben sie den »Nationalen« genannt. Er hat nämlich die Präambel des Grundgesetzes ernst genommen. Das hat bald keiner mehr getan, obwohl sie immer weiter drinstand. Und wer wollte am Ende die DDR unbedingt noch verlängern, indem er ihr einen Milliardenkredit verschaffte?
    B EIDE ZUGLEICH : Franz Josef Strauß!
    H ILDEBRANDT: Weil seine Geschäfte so besser liefen!
    E NSIKAT: Und weil sein Bedürfnis nach staatsmännischer Bedeutung befriedigt wurde. Der war ja für uns jahrzehntelang die Verkörperung des Klassenfeindes überhaupt gewesen. Aber nachdem er diesen Milliardenkredit vermittelt hatte, wurde uns bedeutet, nein, wir wurden richtig aufgefordert, mit unserer Mäkelei an ihm doch mal aufzuhören. Das haben wir natürlich sofort thematisiert. Kein Klassenfeind, wenn er Devisen bringt, ist auf Dauer sicher vor unserer Freundschaft. Der hat ja dann mit Honecker so ein kleines bisschen Weltpolitik am Katzentisch gespielt.
    H ILDEBRANDT: Kohl war furchtbar entrüstet über den Alleingang von Strauß. Der durfte übrigens – so ging jedenfalls das Gerücht – als einziger Wessi mit seinem Flugzeug quer über die DDR fliegen.
    E NSIKAT: Das Gerücht gab es bei uns auch. Und dann gab es ja auch noch diese Männerfreundschaft zwischen Strauß und diesem dicken Mann, der damals bei mir um die Ecke wohnte. Im Gegensatz zu Strauß kannte den hier fast niemand.
    H ILDEBRANDT: Schalck-Golodkowski, Freund von Strauß, Oberst der Stasi und Wirtschaftsführer. Strauß, Schalck-Golodkowski, diese ganze Prominenz traf sich in Rosenheim auf dem Bauernhof von Herrn März, um die Fleischgeschäfte in Gang zu halten. Und daran haben alle glänzend verdient. Strauß war ja auch vorher nicht arm gewesen. Aber das Geschäft mitSchalck, März und so weiter hat seinen Reichtum entscheidend vergrößert. Als er starb, sagt man, soll er dreihundert Millionen Mark besessen haben. Ich weiß nicht, wo die sind. Deshalb darf man so was ja auch nicht behaupten, weil seine Kinder sonst sofort prozessieren.
    E NSIKAT: Gut, dann vermuten wir nur.
    H ILDEBRANDT: Aber prozessträchtig ist das auch als Vermutung.
    E NSIKAT: Aber Dieter, wir sind doch nur Kabarettisten.
    H ILDEBRANDT: Stimmt. Uns muss man nicht ernst nehmen.
    E NSIKAT: Vor drei Jahren, am Vorabend der Bundestagswahl, war ich eingeladen zu einer Veranstaltung im Goethe-Institut in Seoul. Als »lustige Person« sollte ich dort auftreten und den zu erwartenden Wahlausgang in Deutschland kommentieren. In einer Vorbesprechung mit den deutschen Diplomaten wurde genau festgelegt, was an diesem Abend gesagt beziehungsweise nicht gesagt werden sollte. Ich hörte ein Weilchen zu und meinte dann: »Entschuldigung, nach dem, was ich von Ihnen höre, bin ich hier ganz falsch. Denn gerade das, was Sie heute Abend nicht sagen wollen oder dürfen, genau das wollte ich sagen.« Und da sagen die mir: »Ja natürlich, deshalb haben wir Sie ja eingeladen.« Das Publikum bestand aus deutschen Diplomaten und Geschäftsleuten und sehr

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